Kommen Sie mit auf ein paar Schritte durch die Stadt und lernen Sie etwas über die Hintergründe unserer täglichen Begegnungen kennen. Ein kurzer Ausflug, um etwas Orientierung im regen Geschehen auf den Bürgersteigen, zwischen Paragraphen und Pollern, zu schaffen.

Verantwortlichkeiten

Das Spazieren auf den Gehwegen unserer Städte bietet viel Schönes und Aufregendes. Man kann sich an vielen Dingen erfreuen, die einem im Alltag begegnen, ob auf dem Weg zur Arbeit, bei Freizeitaktivitäten oder beim ziellosen Flanieren. Der Duft von Speisen aus allen Ecken der Welt weckt Appetit, dekorierte Schaufenster lassen uns träumen, menschliches Miteinander in Cafés und Parkanlagen geben uns ein Gefühl der Lebendigkeit. Wir nehmen sie oft unterschwellig wahr und fühlen uns gut dabei, bei unserem Weg durch die Stadt, von unserem Zuhause bis zum….

Bis wir unter unserem Schuh einen ungewohnt weichen Widerstand spüren. Ein Blick nach unten bestätigt meist die Befürchtung, die alle Fußgänger tief in sich tragen. Hundekot. Ein großer Haufen Hundekot mitten auf dem Bürgersteig.

Nachdem die gedanklichen Beleidigungen an Hund und Herrchen und Frauchen abgeklungen sind stellt sich oft die Frage, ob denn nicht jemand verantwortlich für so etwas ist? Es gibt schließlich immer einen Verantwortlichen. Und tatsächlich. Es gibt sie, die Verantwortlichen und die Gesetze für die vielen Hindernisse auf den Gehwegen unserer Städte.

Rechtliche Aspekte

Die Ausscheidungen der Vierbeiner sind nämlich längst nicht alles, was einem vor die Füße kommen kann. Ebenso beliebt sind abgestellte Fahrräder, „tote“ Fahrräder, Laubhaufen, Äste, beschädigte Straßenbeschilderungen oder defekte und intakte Poller, die in Kombination einem anspruchsvollen Slalomkurs gleich kommen. Doch der Gehweg ist glücklicherweise kein rechtsfreier Raum, sondern obliegt der Verkehrssicherungspflicht, diese verpflichtet jeden, der eine Gefahrenquelle eröffnet, diese auch entsprechend zu sichern. Geschieht dies nicht, sichert der § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) den Geschädigten ausgleichende Leistungen zu. Das entbindet uns als Fußgänger jedoch nicht von aller Verantwortung, sondern setzt eine stets aufmerksame Benutzung des Gehwegs voraus, um Gefahrenquellen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Halten wir daher stets die Augen offen und führen unseren Weg fort. Tänzeln um Risse im Pflaster, hüpfen über beschädigte Gullideckel und balancieren auf wankenden Bodenplatten. Auch diese sind eigentlich sicherungspflichtig.

Dabei wendet sich unser Blick ab von der Erde und richtet sich nach Vorne, wir laufen weiter und lassen die vielen kleinen Unschönheiten hinter uns. Der unangenehme Zwischenfall verblasst schnell durch die neuen Eindrücke der Straßenhändler, die ihre Ware bis zu den Laufwegen der Kunden anbieten. Immer größer wird das Angebot an Obst, Gemüse, Kleidung und Haushaltswaren. Man muss nicht mehr in Geschäfte hinein, um das Sortiment zu bestaunen. Man kann jetzt aber auch nicht mehr daran vorbei. Eine Aufstelltafel, oder treffender ein Kundenstopper, versperren den letztmöglichen Durchgang. Das ist nun schon etwas aufdringlich. Ist das denn erlaubt?

Sondernutzungen

In den meisten Fällen gilt dies als Gemeingebrauch, festgelegt in § 10 des Straßengesetzes (StrG). (1) Grundsätzlich hat jeder Anlieger das Recht, den Gehweg vor seiner Haustür zu nutzen. Für diesen Anliegergebrauch muss keine Genehmigung eingeholt werden, vorausgesetzt die Nutzung überschreitet eine Breite von 1,50 Metern in den Straßenraum hinein nicht. Diese Regelung tritt bei den meisten Gehwegnutzungen in Kraft, demnach auch bei den Geschäftsauslagen, obwohl diese den rechtlichen Rahmen meistens sehr weit ausdehnen. Wird dieses Maß überschritten, häufig bei Veranstaltungen und gastronomischer Bestuhlung, kommt es zu einer Sondernutzung nach § 11 StrG. Ein Antrag ist dann erforderlich, der in den meisten Fällen bewilligt wird, sofern kein Konflikt mit öffentlichen Interessen abzusehen ist. Hierbei muss ein Entgelt entrichtet werden, das sich nach Art, Umfang, Dauer und Wirtschaftlichkeit gestaltet.

Das Ordnungsamt kümmert sich um weit mehr als die Bestrafung der Parksünder, es ist der Ansprechpartner für Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit und alle anderen Missstände, die im Straßenraum auftreten. Je nach Problematik wird an spezialisierte Behörden delegiert, z.B. an das Straßen- und Grünflächenamt, die Straßenverkehrsbehörde oder die Stadtreinigung.

Meldeplattformen

Wir sind froh, die voran gegangenen Situationen überstanden zu haben und würden dies gerne mit anderen Menschen teilen und auch ihnen dazu verhelfen. Die wenigsten haben jedoch die Nummer des Ordnungsamtes griffbereit, die für eine Verbesserung sorgen könnten. In sozialen Netzwerken ist das Thema nicht besonders populär. Deswegen gibt es eine App dafür. Zumindest im Großraum Berlin/ Brandenburg. Sie nennt sich Maerker und beruht auf der gleichnamigen Meldeplattform im Internet. 2008 entwickelt, um der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, sich mehr im Stadtgeschehen zu beteiligen und ihr unmittelbares Wissen miteinzubeziehen.

Entdecken wir also eine selbsternannte Müllhalde im Straßenbild oder hindert uns defekte Beleuchtung daran, es überhaupt wahrzunehmen, kann dieses Problem online gemeldet werden. Das Anliegen wird an die zuständige Behörde weitergegeben und es gibt Rückmeldung über den Bearbeitungsstatus. Damit ist es ein Instrument, das schnelle und direkte Dienste leisten kann, wenn man die Missstände sachlich angibt und es nicht mit einem persönlichen Kummerkasten verwechselt.

Ein Spaziergang durch die Stadt bietet uns die Chance, sich über Dinge zu freuen. Er gibt einem die Möglichkeit sich zu echauffieren. Und er gibt Anreiz sich zu engagieren. Wir bewegen uns täglich auf dem Gehweg, doch beschäftigen wir uns kaum mit ihm selber. Wir bemerken, wenn er überfüllt oder dreckig ist. Ist er hindernisfrei, sehen wir ihn erstaunlicherweise selten.

Einige müssen genauer hinschauen, denn für sie ist ein barrierefreier Weg entscheidend und der muss oft noch gebahnt werden. Hindernisse muss man soweit reduzieren, dass es allen möglich ist voran zu kommen, nicht uneingeschränkt aber doch machbar. Mal links, mal rechts, mal mittig zu gehen ist kein Hindernis. Jeder hat das Recht auf einen großen Hundehaufen.

Hinweise:

(1) Die im Text genannten Paragrafen beziehen sich auf das Berliner Straßengesetz. Die Straßengesetze aller Bundesländer sind jedoch sehr ähnlich aufgebaut.

Auf www.gehwege-frei.de → Weitere Hindernisse → Hindernisfreie Wege finden Sie mehr Infos zu dem Thema.

 

Dieser Artikel von Nikolas Dürr ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 1/2016, erschienen. 

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