Die Grünen in Bremen haben sich nun den Fußverkehr auf die Fahne geschrieben, und das wird auch Zeit. Seitdem geht es bergauf mit dem Fußverkehr in Bremen – so jedenfalls die Hoffnung in der norddeutschen Tiefebene.
Nicht etwa, dass man in Bremen nicht wunderbar zu Fuß gehen könnte – über den Marktplatz, durch das Schnoor, an der Weser entlang – aber an allen Ecken und Enden ist sichtbar, dass der Fußverkehr als solcher jahrelang schlicht vergessen oder ignoriert wurde. Im Gegensatz zum Radverkehr dank der Lobbyarbeit des ADFC.
Die Grünen haben zunächst ein „Positionspapier Fußverkehr“ geschrieben als inhaltlichen Beitrag zum Verkehrsentwicklungsplan, der demnächst für Bremen aufgestellt werden soll.
In dem Positionspapier wird angemerkt, dass der Rad-, Autoverkehr, der ÖPNV und die Wirtschaftsverkehre in Bremen sehr wirksam vertreten sind, aber nicht der Fußverkehr. Es sei Anliegen der Grünen, gerade für den Fußverkehr das verkehrsfachliche Profil weiter zu schärfen. Die „Stadt der kurzen Wege“ sei zwar als Leitbild anerkannt. Die Anforderungen des Zufußgehens fänden aber in der täglichen Praxis in Bremen nicht immer angemessen Berücksichtigung. Zweck des Positionspapier sei es, dass der Fußverkehr, und darunter vor allem die schwächeren und mobilitätseingeschränkten Menschen, bei der Aufstellung des Verkehrsentwicklungskonzeptes angemessen berücksichtigt wird und entsprechende Handlungsfelder benannt werden.
Daran anknüpfend wurden eine öffentliche Begehung und eine Diskussionsveranstaltung durchgeführt. Die Begehung startete im „Kastanienwäldchen“ am Wall, einem angenehmen kleinen Platz mit Bänken und Bäumen mitten in der Stadt, an einem gutem Beispiel sozusagen. Sie führte weiter am Domshof vorbei, an dem immer Markt abgehalten wird. Hier hatten die Teilnehmer schon mit diversen Hindernissen wie geparkten Fahrrädern, quer stehenden Lieferfahrzeugen und Blumenkübeln zu tun. Die Tour endete schließlich an einer Stelle hinter dem Dom, an der man auf eine Mauer und ein Gitter zuläuft.
Als Fußgänger ist man zunächst irritiert: Muss man über das Gitter steigen, um weiter zu kommen und auf der Fahrbahn gehen (was mit gewissen Risiken verbunden ist!), oder soll man in eine Art Hinterhof abbiegen, der ziemlich privat aussieht. Was tun? Wieder umkehren? Wie ärgerlich. Die Lösung: Man kommt über den „Hinterhof“ weiter, aber nur, wenn das Tor am anderen Ende nicht geschlossen ist. Offiziell handelt es sich lediglich um den Zugang zu einem Parkhaus, vornehmlich für Konzerthaus- oder Dombesucher von der anderen Seite aus. Der Bereich ist tatsächlich privat.
Bei der öffentlichen Diskussionsrunde wurde zur Einstimmung der Kurzfilm „Der letzte Fußgänger“ mit Heinz Erhardt gezeigt und ein Buch von Johann-Günther König vorgestellt, das sich mit dem Phänomen befasst, dass die Evolution den Menschen mit zwei Füßen und nicht mit vier Rädern ausgestattet hat! In der anschließenden Diskussion mit ca. 30 Teilnehmern kam deutlich zum Ausdruck, dass eine Fußverkehrslobby dringend notwendig ist. Die Aktivitäten der Grünen und des FUSS e.V. wurden begrüßt.
Die Presse hat durchweg positiv berichtet, mit Ausnahme der Bildzeitung, die sich darüber mokierte, dass die Fußverkehrslobby die Abschaffung des „Grünen Pfeils“ fordert. Dr. Joachim Steinbrück, der blinde Behindertenbeauftragte von Bremen kam in der Presse ausführlich zu Wort. Er forderte – wie der FUSS e.V. auch - Hindernisse wie Schautafeln und andere Gegenstände aus dem Weg zu räumen. Desweiteren müssten Lieferwagen besser gesichert sein; er sei schon manchmal an die offene Klappe eines Lieferwagens geraten; mit dem Blindenstock sei dieses Hindernis nicht zu ertasten. Er forderte außerdem einen barrierefreien, fußgängerfreundlichen Zugang zur Glocke (Bremer Konzertsaal) von der Straßenbahnhaltestelle an der Domsheide aus. Den Bericht über die Diskussionsveranstaltung titelte der Weserkurier mit „Fußgänger als Maßstab“.
Eigentlich sollte das Gehen als natürlichste Fortbewegungsart des Menschen für sich sprechen, aber die Konkurrenz puncto Werbung ist groß. Die Schuhe ausziehen und barfuß laufen ist vielen peinlicher als sich mit einem dicken Auto in die Innenstadt zu zwängen. Sonderbar!
Mit den Slogans „feel the difference“, „walk the web“ und „use your own machine“ werben die Londoner schon lange für das Gehen! London will die fußgängerfreundlichste Stadt der Welt werden. Warum nicht Bremen in Deutschland oder zumindest im Land Bremen ?!
In Bremen tut sich was, der Fußverkehr als Teil des Umweltverbundes profitiert davon:
Für Werbung kann der FUSS e.V. nicht so viel Geld ausgeben wie der ADAC. Alle Bremerinnen und Bremer werden gebeten, durch Spenden dem FUSS e.V. eine bessere Lobbyarbeit zu ermöglichen. Da muss doch was zu machen sein! Um mit Loriot zu sprechen: Andere tun‘s doch auch!
Dieser Artikel von Angelika Schlansky ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 3/2012,erschienen.
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