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Eine Studie am Geographischen Institut der Universität Bonn in Kooperation mit dem Institut für Hygiene & Public Health sowie dem Mobilitätsberatungsunternehmen EcoLibro GmbH untersuchte den Zusammenhang der Verkehrsmittelwahl auf dem Arbeitsweg und der Gesundheit Berufstätiger. Es wurden 2.351 Berufstätige befragt und verschiedene Gesundheitsindikatoren erfasst. Die Ergebnisse der Studie können den positiven Effekt einer aktiven Mobilität, wie etwa beim Fahrradfahren, mit empirisch gesicherten Daten nachweisen.

Einen großen Anteil an den täglich zurückgelegten Wegen haben die Arbeitswege (14 Prozent) - die Strecken, die Berufstätige täglich zwischen Wohn- und Arbeitsort zurücklegen (BMVBS 2008). Wenn Sie berufstätig sind, gehören Sie sehr wahr­scheinlich auch zu der Gruppe der Menschen, die zweimal täglich zwischen zehn und sechzig Minuten für ihren Arbeitsweg unterwegs sind. Mit der Wahl für ein bestimmtes Verkehrsmittel treffen Sie eine langfristige Entscheidung mit Auswirkungen für die Umwelt und Ihre Mitmenschen. Aber welche Auswirkungen hat diese Wahl auf die eigene Gesundheit?

Regelmäßige körperliche Bewegung hat zweifelsfrei einen positiven Einfluss auf die Gesundheit. Krankheiten wie Krebs, Diabetes sowie Herz-Kreislauferkrankungen können vorgebeugt, die Beschwerden reduziert oder der Krankheitsverlauf deutlich reduziert werden (WHO 2014). Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass nicht nur intensives oder langes Training positive Auswirkungen auf die Gesundheit hat, sondern auch relativ kurze, regelmäßige Einheiten (1). Dabei ist zunächst die Art der Aktivität unerheblich, jede physische Bewegung, sei es in der Freizeit, am Arbeitsplatz oder auf dem Arbeitsweg kann eine positive Auswirkung auf das Erkrankungsrisiko haben (2).

Die Integration von Bewegung in den Alltag durch die Überwindung des Arbeitswegs mit einem aktiven Verkehrsmittel (Fahrrad, Zu-Fuß-Gehen oder andere bewegungsintensive Verkehrsmittel) könnte einen Beitrag zur Verbesserung der eigenen Gesundheit leisten. Auch Unternehmen können enorm von gesünderen Mitarbeitern profitieren.

Konzeption der Studie

Im Rahmen der Studie „Gesundheit und Mobilität – Welchen Einfluss hat die Wahl der Verkehrsmittel auf dem Arbeitsweg auf die Gesundheit Berufstätiger?“ wurde von November 2014 bis Mai 2015 bei 2.351 Berufstätigen mit Hilfe einer quan­titativen Online-Befragung untersucht, wie sich die Wahl des Verkehrsmittels auf verschiedene gesundheitliche Aspekte auswirkt. Als Gesundheitsindikatoren wurden die Krankheitstage, das Wohlbefinden und der Body-Mass-Index verwendet. Das Verkehrsmittelnutzungsverhalten wurde nicht nur anhand der üblichen Gruppen ÖPNV, Motorisierter Individualverkehr (MIV) und Fahrrad eingeteilt, es wurden zusätzlich mehrere weitere Gruppen hinzugefügt, die ein multi- und intermodales Verkehrsverhalten abbilden. Auch die Gruppe der Fußgänger_innen wurde untersucht. Deren Fallzahl ist allerdings so gering, dass die entsprechenden Aussagen nicht verallgemeinert werden können.

Stichprobe und Modal Split

Die Stichprobe setzte sich aus einem Anteil von 40 Prozent Frauen und 60 Prozent Männern zusammen. Etwa 90 Prozent der Befragten sind Akademiker_innen oder verfügen über eine anderweitige hochqualifizierte Berufsausbildung. Ein Drittel der Befragten sind Führungskräfte. Damit zeigt sich, dass es sich um eine Stichprobe aus einer gut ausgebildeten, gesundheitlich vermutlich besser gestellten Schicht handelt.

Der Modal Split der Befragten lässt sich in der Abbildung erkennen. Die sogenannten Mix-Nutzer_innen nutzen unterschiedliche Verkehrsmittel im Verlauf einer Woche, jeweils mit einem geringen oder hohen MIV-Anteil.

Krankheitstage und Verkehrsmittelwahl

In der Auswertung der Befragung zeigte sich, dass Fahrradfahrer_innen (Mittelwert: 3,41 Tage) und Fußgänger_innen (3,31 Tage) durchschnittlich zwei Krankheitstage weniger pro Jahr erkrankt waren als die Nutzer_innen des MIV (5,26 Tage) oder des ÖPNV (5,32 Tage). Personen mit einem gemischten Mobilitätsverhalten hatten umso weniger Krankheitstage, je häufiger sie aktive Verkehrsmittel in ihren Alltag einbauten. Interessanterweise zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen Ganzjahres-Radfahrer_innen (3,41 Tage) und Sommerradler_innen (5,29 Tage). Personen. Die das ganze Jahr mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhren, waren deutlich weniger krank als solche, die nur im Sommerhalbjahr radelten. Es konnte auch gezeigt werden, dass ein Zusammenhang zwischen der Länge des geradelten Arbeitswegs und den Krankheitstagen besteht. Je länger der mit dem Fahrrad gefahrene Arbeitsweg war, umso weniger Krankheitstage hatten die Arbeitnehmer_innen.

Neben den Krankheitstagen, die ein_e Arbeitnehmer_in im Unternehmen fehlt, gibt es weitere Krankheitstage, beispielsweise die des Präsentismus oder die Tage, die man in der Freizeit erkrankt ist. Präsentismus bezeichnet das Phänomen krank zur Arbeit zu erscheinen. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, wie deutlich die gesundheitlichen aber auch ökonomischen Auswirkungen dieses weit verbreiteten Verhaltens sind. So verursacht der Präsentismus langfristig unternehmerische Ausfälle in ähnlichen Größenordnungen wie die regulären Krankheitstage. Die Untersuchung verweist hier auf deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Verkehrsmittelnutzergruppen. Fahrradfahrer_innen und Mix-Nutzer_innen mit einem geringen MIV-Anteil verzeichnen die wenigsten Krankheitstage.

Body-Mass-Index und Verkehrsmittelwahl

Bezüglich des Body-Mass-Index zeigte sich, dass innerhalb der Gruppe der Frauen die Fußgängerinnen (Mittelwert: 22,34) den niedrigsten Body-Mass-Index hatten. Ihnen folgten die Nutzerinnen des Mix mit einem geringen MIV-Anteil (23,00), die Fahrradfahrerinnen (23,41), die Sommerradlerinnen (23,57), die Mix-Nutzerinnen mit einem hohen MIV-Anteil (24,02) und die ÖPNV-Nutzerinnen (24,33). Den höchsten BMI-Wert hatten die MIV-Nutzerinnen (24,78) zu verzeichnen. Innerhalb der Gruppe der Männer zeigten sich vergleichbare Unterschiede.

Wohlbefinden und Verkehrsmittelwahl

Das Wohlbefinden der Berufstätigen wurde anhand des Well-Being-Scores der Weltgesundheitsorganisation (WHO) untersucht. Dabei wurden die Teilnehmer_innen nach verschiedenen psychischen Befindlichkeiten innerhalb der letzten zwei Wochen gefragt. So konnten sie beispielsweise angeben, wie häufig sie sich „frisch und ausgeruht“ oder „ruhig und entspannt“ gefühlt haben. Innerhalb der Gruppe der Frauen zeigten die Fahrradfahrerinnen den höchsten Durchschnittswert. Alle anderen Nutzergruppen schnitten deutlich schlechter ab. Bei den Männern sah es ähnlich aus, wobei der Unterschied zwischen den Fahrradfahrern und den anderen Gruppen noch deutlicher war.

Es konnte gezeigt werden, dass die Nutzer_innen aktiver Verkehrsmittel (Fahrradfahrer_innen und Fußgänger_innen) bei allen gemessenen Gesundheitsindikatoren signifikant bessere Werte zu verzeichnen hatten als die Nutzer_innen weniger aktiver Verkehrsmittel.

Fazit: Kombination von Gesundheits- und Mobilitätsmanagement

Was bedeuten die Ergebnisse für Arbeitnehmer, Unternehmen oder Institutionen? Krankheiten beeinträchtigen das Leben jedes_r Einzelnen, verursachen aber auch innerhalb von Unternehmen hohe Kosten und haben letztendlich Auswirkungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Die ökonomischen Auswirkungen sollen durch ein kleines Beispiel erläutert werden: Ein Betrieb mit 300 Mitarbeiter_innen und durchschnittlichen Personalkosten von 50.000 Euro sowie einem Krankenstand von 4,5 Prozent muss Personalkosten in Höhe von 675.0000 Euro pro Jahr für Fehlzeiten aufbringen. Bei einer Senkung des Krankenstands um 1,4 Prozent ließen sich 210.000 Euro jährlich einsparen. Die Kosten für betriebliches Mobilitätsmanagement machen nur einen Bruchteil der dargestellten Kosten für Krankheitstage aus. Betrachtet man das Mobilitätsmanagement als Teil eines Gesundheitsmanagements, könnten sich die Kosten binnen weniger Jahre auszahlen. Dabei steht außer Frage, dass eine Verbesserung der Gesundheit für die Betroffenen selbst die größte Rolle spielt.

Wie sich gezeigt hat, sind besonders die Fahrradfahrer_innen eine gesunde Verkehrsmittelnutzergruppe. Eine Änderung des Mobilitätsverhaltens Berufstätiger zu Gunsten aktiver Verkehrsmittel könnte daher beispielsweise im Rahmen einer Kombination von betrieblichem Gesundheits- und Mobilitätsmanagements erfolgen. Die Untersuchung unterstreicht einmal mehr die Notwendigkeit integrierter Lösungen. Denn Maßnahmen wie Mobilitätstage, Fahrradtrainings, Einführung von Firmenfahrrädern und Beratung zum Fahrrad-Leasing sind nicht allein Bausteine zum Umdenken bei der Verkehrsmittelwahl im Zeichen des Klimawandels; betrachtet man sie unter den Gesichtspunkten von Gesundheit und Wohlbefinden, gewinnt das betriebliche Mobilitätsmanagement eine neue Dimension. Damit lassen sich auch schwer vermittelbare Maßnahmen, wie Parkraumbeschränkungen und –bewirtschaftung, oder Investitionen in die Infrastruktur, wie Fahrradwege oder Fahrradabstellanlagen, mit einer erweiterten Argumentation rechtfertigen (3).

Juliane Kemen (Goethe Universität Frankfurt am Main, Institut für Humangeographie, AG Mobilitätsforschung)

In Kürze

Im Rahmen einer Studie mit 2.351 Berufstätigen konnte gezeigt werden, dass die Wahl der Verkehrsmittel auf dem Arbeitsweg einen Einfluss auf die Gesundheit hat. Die Gesundheit wurde dabei anhand der Indikatoren Krankheitstage, Wohlbefinden und Body-Mass-Index untersucht. Es zeigte sich, dass vor allem die ganzjährigen Fahrradfahrer_innen sehr stark von ihrer Verkehrsmittelwahl profitieren.

Quellen + Literatur:

(1) Lee, I.-M. u. P. J. Skerrett (2001): Physical activity and all-cause mortality: what is the dose-response relation? In: Medicine and science in sports and exercise 33, H. 6. S. 459–471.

(2) Andersen, L. B., Schnohr, P., Schroll, M. u. H. O. Hein (2000): All-cause mortality associated with physical activity during leisure time, work, sports, and cycling to work. In: Arch Intern Med 11, H. 160. S. 1621–1628.

(3) Monheim, H. u. U. Lehner-Lierz (2005): Das Fahrrad im betrieblichen Mobilitätsmanagement. In: Monheim, H. (Hrsg.): Fahrradförderung mit System. Elemente einer angebotsorientierten Radverkehrspolitik. (Verl. MetaGIS-Infosysteme) Mannheim. S. 303–323.

BMVBS - Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2008): Mobilität in Deutschland 2008. Ergebnisbericht

Brockman, R. u. K. R. Fox (2011): Physical activity by stealth? The potential health benefits of a workplace transport plan. In: Public Health 125, H. 4. S. 210–217.

WHO - World Health Organization (2014a): Global status report on noncommunicable diseases 2014.

 

Dieser Artikel von Juliane Kemen ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 3/2015, erschienen. 

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