Wer zu Fuß geht, tut nicht nur seiner Gesundheit und der Umwelt etwas Gutes, sondern trägt auch Sorge zum Staatshaushalt. Dies zeigt eine neue Studie aus der Schweiz zu den nicht verursachergerecht gedeckten Kosten des Verkehrs, die auch den Rad- und den Fußverkehr berücksichtigt hat. Dank tiefen Umweltkosten und positiven Wirkungen auf die Gesundheit generiert das Zufußgehen einen Nutzen von 10 Rappen (8 Cent) pro Personenkilometer, während alle anderen Mobilitätsformen negativ zu Buche schlagen.
Im Rahmen einer Gesamtrechnung der Verkehrskosten in der Schweiz haben das Schweizerische Bundesamt für Statistik und das Bundesamt für Raumentwicklung eine Studie zu den externen Kosten der verschiedenen Verkehrsträger in Auftrag gegeben, also jener Kosten, die nicht von den Verursachern selbst getragen werden. Die Studie „Externe Effekte des Verkehrs 2010“ konzentrierte sich auf die Umwelt-, Unfall- und Gesundheitseffekte der verschiedenen Verkehrsträger. Typische Beispiele für externe Kosten sind Luftverschmutzung und Lärm, die eine Verkehrsaktivität verursacht, sich aber nicht im Preis für die Fahrt niederschlagen. Auch Gebäude- und Umweltschäden, Ernteausfälle, Klimafolgen und weitere Effekte fließen in die Studie ein.
Derartige Kostenrechnungen sind in der Schweiz nicht neu. Erstmals wurden aber auch die nachhaltigen Mobilitätsarten Rad- und Fußverkehr in die Untersuchung einbezogen. Das Ergebnis ist erfreulich: Zufußgehen und Radfahren erzeugt neben ungedeckten Kosten auch einen gesundheitlichen Nutzen. Der Fußverkehr schließt als einzige Mobilitätsart mit einer positiven Bilanz ab.
Das Total der externen Verkehrskosten in der Schweiz, also jener Kosten, die das Gesamtverkehrssystem nicht selbst deckt, beträgt für das untersuchte Jahr 2010 9,4 Milliarden Franken (gut 7,5 Milliarden Euro). Gemessen an der Bevölkerungszahl, zum untersuchten Zeitpunkt knapp acht Millionen Menschen, belaufen sich die externen Kosten also auf fast tausend Euro pro Person. Das Defizit ist allerdings höchst ungleich verteilt: Aus Sicht der verschiedenen Verkehrsträger ist der Anteil der Straße mit 7,7 Milliarden Franken am größten. Allein der motorisierte private Personenverkehr verursacht 5,5 Milliarden Franken Kosten, die der Straßenverkehr nicht selbst trägt.
Aus Sicht der Verkehrsteilnehmenden, die vom Individuum ausgeht und all jene Kosten als extern betrachtet, die der Verursacher nicht selbst trägt, sind die externen Kosten noch höher, weil sich mit der Einengung der Kostenverursacher der Kreis der Kostenträger erweitert. Die Kosten eines Unfalls, bei dem ein Personenwagen eine Fußgängerin verletzt, gelten aus Sicht des Verkehrsträgers (Straße) als intern, aus Sicht der Verkehrsteilnehmenden hingegen als extern. In dieser Sichtweise betragen die externen Kosten des motorisierten privaten Personenverkehrs im untersuchten Jahr 6,3 Milliarden Franken.
Nur in kleinen Schritten, aber mit zunehmendem Druck „von unten“ kommt die Förderung des Rad- und des Fußverkehrs in der Schweiz voran. Dass die beiden nachhaltigen Verkehrsarten, amtssprachlich etwas geringschätzig als „Langsamverkehr“ bezeichnet, erstmals Eingang in die Kostenstudie gefunden haben, widerspiegelt diesen Trend. Die von der Allgemeinheit getragenen Kosten der „Mobilité douce“ – die Amtssprache der französischsprachigen Schweiz ist immerhin etwas respektvoller – machen mit rund 900 Millionen Franken nur 11,7 Prozent der Gesamtkosten aus.
Nach Logik der Studie werden Unfallkosten verursachergerecht dem Unfallverursacher zugewiesen. Werden Fußgängerinnen und Fußgänger von einem Fahrzeug angefahren, trägt meist der Fahrzeughalter die Verantwortung; die Unfallkosten erscheinen als externe Kosten des jeweiligen Verkehrsträgers. Für die ungedeckten Kosten von Rad- und Fußverkehr sind deshalb in erster Linie Selbstunfälle verantwortlich, vor allem Stürze. Viele wären vermeidbar, denn die Ursachen dieser Unfälle liegen oft in mangelhafter Infrastruktur und schlechtem oder fehlendem Unterhalt.
So werden im Winter meist prioritär die Flächen für den motorisierten Verkehr geräumt, während die Gehflächen weiß bleiben und vereisen. Die Radinfrastruktur wird nicht selten überhaupt nicht geräumt, im Gegenteil, Radverkehrsflächen werden gerne als Deponierfläche für weggepflügten Schnee missbraucht, da im Winter ja angeblich nur Verrückte Rad fahren. Bei Frost bleibt dieser Schnee auf Radstreifen tage- oder gar wochenlang liegen.
Den volkswirtschaftlichen Nutzen des Langsamverkehrs beziffert die Studie mit einem Gewinn von knapp 1,3 Milliarden Franken in Form von Einsparungen bei der Gesundheit. Denn die regelmäßige körperliche Aktivität erhöht die Lebenserwartung von Fußgängern und Radfahrern und die Anzahl der Spitalaufenthalte verringert sich. Beim Fahrrad fressen Unfallkosten diesen Gewinn allerdings weg; für den Fußverkehr hingegen resultiert ein externer Gesundheitsnutzen in Höhe von 505 Millionen Franken. Betrachtet man nicht nur die externen, sondern die gesamten Effekte (also auch die selbst getragenen), steht der Fußverkehr noch besser da: 1,9 Milliarden Franken Kosten stehen 8,6 Milliarden Franken Nutzen gegenüber. Pro Personenkilometer ergibt sich ein Gewinn von 10 Rappen.
Zusätzlich zu diesen bezifferbaren Effekten resultiert für Fußgänger und Radfahrer ein immaterieller Nutzen durch die Vermeidung von Leid, Schmerz und Schock und den Gewinn an Lebensfreude. Um ihn zu berechnen, wurde in Befragungen die „innere Zahlungsbereitschaft“ für diese Faktoren erhoben: Es resultiert ein Gewinn in Höhe von rund elf Milliarden Franken. Rechnet man diesen individuellen Nutzen mit ein, sind die Fußgängerinnen und Fußgänger die glänzenden Gewinner der Studie: Pro Kilometer zu Fuß ergibt sich ein sozialer Nutzen von 1,35 Franken. Zum Vergleich: In der gleichen Sichtweise verursacht das Motorrad Kosten von 70 Rappen pro Personenkilometer. Das Fazit aus der Geschicht’? Gehen bereichert, fahren nicht.
Leider handelt es sich trotz all der schönen Zahlen um einen Scheinsieg. Die Unfallstatistik spricht nämlich eine andere Sprache: Nach wie vor gehören die Fußgängerinnen und Fußgänger zu den gefährdetsten Verkehrsteilnehmern. 2013 wurden in der Schweiz 723 Fußgänger schwer und 69 tödlich verletzt, davon 21 auf Zebrastreifen. Es braucht mehr Sicherheit für Zufußgehende, allenfalls auf Kosten des motorisierten Verkehrs. Die kostengünstigste Maßnahme sind Temporeduktionen im Innerortsbereich, wo die meisten Fußgängerunfälle passieren.
Mit einer konsequenten Förderung der nachhaltigen Mobilitätsformen können die externen Kosten des Verkehrs effektiv gesenkt werden. Sind die Bedingungen für den Fußverkehr attraktiver, gehen mehr Menschen zu Fuß. Damit werden externe Kosten anderer Mobilitätsformen vermieden. Schließlich ist, wer sein Leben lang regelmäßig zu Fuß geht, auch im Alter besser vor Stürzen geschützt, womit die Unfallkosten des Fußverkehrs weiter sinken und sich das Lebensglück erhöht. Und das ist letztlich unbezahlbar.
Dieser Artikel von Christian Keller ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 4/2014, erschienen.
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