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„Mit ungeeigneten Methoden versuchen Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel ihre Servicequalität zu bestimmen.“ Mit dieser Zusammenfassung stellt Herr Brög in seinem Artikel in mobilogisch! 3/13 das Modell Kundenbarometer und speziell das ÖPNV-Kundenbarometer in Frage.

Da der Artikel einige unrichtige Behauptungen aufstellt, möchten wir diese Punkte klären. In dem Artikel werden drei Studienarten von TNS Infratest durcheinander geworfen und zum Teil pauschal und in unzutreffender Weise kritisiert: Zum einen geht es um Modell und Methode des Kundenbarometers, das sowohl in Einzelstudien als auch für Multi-Client-Studien Verwendung findet, zum anderen geht es einerseits um die jährliche Benchmark-Studie für den ÖPNV in Deutschland, zum anderen um die Beteiligungsstudie ÖPNV-Kundenbarometer, an dem regelmäßig mehr als 30 Unternehmen teilnehmen.

Das Modell Kundenbarometer

Bei der Kritik am Modell Kundenbarometer wird daran kaum ein gutes Haar gelassen: Von der telefonischen Erhebungsmethode über die verwendete Skala, vom Konzept der Globalzufriedenheit bis zur Verwendung einer merkmalsgestützten Befragung wird alles in Frage gestellt. Herr Brög impliziert, dass allein seine Methode der „sorgfältig durchgeführten, ausführlichen mündlichen Interviews“ dazu geeignet sei, Kundenzufriedenheit auf den Grund zu gehen. Die Einzelheiten dieser Methode werden allerdings nicht näher erläutert und entziehen sich somit einer kritischen Analyse.

Um unsere Meinung deutlich zu machen: Kundenzufriedenheit lässt sich durchaus mündlich erheben, aber eben auch telefonisch, schriftlich oder in anderer Weise. Und die telefonische Be­fragung ist – allein schon aus forschungs­öko­nomischen Gründen – hervorragend geeignet, sich einen Überblick über Problemfelder zu verschaffen und Stärken und Schwächen zu identifizieren, um darauf reagieren zu können. Und selbst eine weitere Vertiefung der Schwächen ist durchaus auch telefonisch möglich, indem man zum Beispiel bei Unzufriedenheit nachfragt, um die genauen Gründe für die Unzufriedenheit zu ermitteln.

Warum Herr Brög speziell die Frage nach der Globalzufriedenheit angreift, ist uns völlig unverständlich. Eine allgemeine und zusammenfassende Frage nach der subjektiven Gesamtzufriedenheit mit einer Dienstleistung oder einem Produkt ist vollkommen üblich und auch sinnvoll. Tatsächlich ist dieses subjektive Gefühl der allgemeinen Zufriedenheit ein guter Indika­tor für das Verhalten von Personen, was Kauf und Nutzung betrifft. Niemand behauptet, diese Variable allein könne erklären, wie es zur tatsächlichen Wahl eines Verkehrsmittels für einen bestimmten Weg kommt. Niemand bezweifelt, dass bei einem konkreten Weg situative Umstände eine große Rolle spielen. Wir behaupten daher auch nicht, dass die Globalzufriedenheit die Verkehrsmittelwahl „erklärt“. Allerdings mei­nen wir, dass die Globalzufriedenheit ein wichtiger Treiber für diese Wahl ist, sie also stark be­einflusst.

Über unterschiedliche Skalen wird in der Markt­forschung seit jeher diskutiert, und es gibt für jede Skala Vor- wie Nachteile: unterschiedliche Skalen eignen sich für unterschiedliche Anwendungsgebiete. Wichtig ist in diesem Zusammen­hang, ob ein Mittelwert sinnvoll ist bzw. ob man diesen zulassen möchte – wie z. B. beim Kundenbarometer – oder eine Entscheidung verlangen möchte. Wir weisen an dieser Stelle allerdings darauf hin, dass die von uns verwendete Skala auf das wissenschaftliche Gap-Modell zurückgeht. (1) Die Lücke zwischen den Erwartungen und dem, was man erhält, wird mit Hilfe unserer Skala gut abgebildet. Wer zumindest das bekommt, was er erwartet, ist „zufrieden“ (-gestellt), und das ist der „Mittelpunkt“ der Skala. Bei allen anderen Antworten sind die Kunden entweder mehr als zufrieden („überzeugt“) oder weniger als zufrieden („enttäuscht“). Somit steckt in der Formulierung des „zufrieden“ ein in umkämpften Märkten bzw. Branchen keineswegs ausreichend positiver Wert, da eine solche Antwort eine eher schwache Kundenbindung impliziert.

Darüber hinaus bietet die Skala einen weiteren besonderen Vorteil: Sie ist weitverbreitet. Die Skala ist deshalb auch besonders gut für Vergleiche geeignet. Sie stellt deshalb im Bereich der nationalen wie internationalen Kundenzufriedenheitsforschung eine Art „Währung“ dar. Insbesondere wird sie auch im Kundenmonitor® Deutschland (Servicebarometer AG) verwendet, und bei einem Vergleich würde der ÖPNV deutlich einen hinteren Platz belegen. Dies verdeutlicht, dass der ÖPNV anhand der verwendeten Skala keineswegs zu positiv bewertet wird wie im Artikel unterstellt.

Das ÖPNV-Kundenbarometer

Das ÖPNV-Kundenbarometer ist eine Multi-Client-Studie, bei der durch ein hohes Maß an Standardisierung große Synergieeffekte erreicht werden. So haben auch kleinere Unternehmen regelmäßig die Chance, ihre Stärken und Schwächen kennenzulernen und mit anderen Unternehmen zu vergleichen. Zu diesem Zweck werden in jedem Jahr über 20.000 Interviews durchgeführt. Diese Vergleiche werden in dem Artikel besonders kritisch dargestellt, es wird von den beim Kundenbarometer tätigen Markt­forschern „ein wenig mehr Augenmaß“ gewünscht, wenn die Vergleiche mit anderen Teilnehmern - z.B. in der Darstellung der Spitzenreiter - als Datengrundlage für unternehmerische Entscheidungen herhalten sollen.

Selbstverständlich ist allen Beteiligten bewusst, dass die Zufriedenheit in erster Linie nur in einem lokalen Kontext gesehen werden kann, in dem Sinne, dass die Zufriedenheit nicht ein ob­jektiver Wert für die Qualität des ÖPNV ist. Vielmehr ist die Zufriedenheit gerade ein subjektiver Wert, bei dem die Einwohner der jeweiligen Stadt oder Region angeben, wie zufrieden sie mit dem eigenen ÖPNV sind. Aber darf man Dortmund nicht mit Münster vergleichen? Diese Vergleiche seien „eigentlich gar nicht statthaft“. Dann wäre auch die Zufriedenheit der Mercedes-Besitzer nicht mit der Zufriedenheit von Mazda-Fahrern zu vergleichen?

Eine alleinige strategische Ausrichtung des Un­ternehmens an den Ergebnissen des Kundenbarometers wird wohl kaum ein Unternehmen in Betracht ziehen. Das Kundenbarometer ist eben nur eine der Informationsquellen, an denen sich eine strategische Ausrichtung von ÖPNV-Unternehmen orientiert. Daneben spielen andere Verfahren (wie z.B. direkte Leistungs­messungen) eine ebenso wichtige Rolle. Speziell sollte auch noch darauf hingewiesen werden, dass ein Schwerpunkt des Kundenbarometers – neben dem Vergleich mit anderen Unternehmen – die Darstellung der Entwicklung der Kundenzufriedenheit mit dem eigenen Unternehmen und seinen ÖPNV-Leistungen ist. Anhand der Entwicklung lassen sich z.B. Auswirkungen von durchgeführten Maßnahmen in Trendfortschreibungen analysieren.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Es wird keine objektive Qualitäts-Messung durchgeführt, das ÖPNV-Kundenbarometer ist keine ingenieurwissenschaftliche physikalische Messung und keine Stiftung Warentest. Vielmehr suchen wir die zufriedensten Kunden. Wie gesagt: Kundenzufriedenheit ist subjektiv, man vergleicht die Erwartungen mit der Wirklichkeit.

Und selbstverständlich sind die Erwartungen in einer Metropole andere als diejenigen in einer kleineren Stadt. Kein Kunde erwartet in einer kleineren Stadt einen 5-Minuten-Takt, hier reichen oft schon 30 Minuten, um die Zufriedenheit hochzuhalten. Und natürlich sind die Wiener, wie in dem Artikel beschrieben wird, bei einer Taktänderung von 4 auf 5 Minuten ärgerlich, das ist immerhin eine Änderung um 25%. Und nach dieser Taktverschlechterung sind sie vermutlich auch weniger zufrieden. Auch die Münsteraner wären unzufriedener, wenn ein 15-Minuten-Takt auf 20 Minuten erhöht würde. All diese Auswirkungen lassen sich – im Einzelnen – bei jedem Kundenbarometer beobachten.

Somit wird im Ranking der Spitzenreiter nicht die Qualität des ÖPNV verglichen, sondern die Zufriedenheit der Fahrgäste mit dem ÖPNV. Welche Schlussfolgerungen man für unternehmerische Entscheidungen daraus zieht, ist vom Einzelfall abhängig.

Auch da gibt es, anders als der Artikel suggeriert, keine automatischen Schlussfolgerungen. Zum Schluss ein Wort zu den Spitzenreitern: Die marketingmäßige Herausstellung der jeweiligen Spitzenreiter ist sozusagen die Sahnehaube auf gute Werte. Niemand wird allein aufgrund der Spitzenreiterschaft unternehmerische Entscheidungen treffen wollen, dennoch ist es ein wichtiges Indiz dafür, dass bei der Unternehmens- und Marketingpolitik derart exponierter Unternehmen oder Verbünde aus Kundensicht wohl Vieles in die richtige Richtung zu laufen scheint. Die Teilnehmer des Kundenbarometers haben durchaus die Möglichkeit, sich mit anderen Unternehmen zu vergleichen; nicht nur, was die Zufriedenheit der Kunden betrifft, sondern insbesondere auch, was die tatsächlichen Ausprägungen der Leistungsmerkmale betrifft. Dies wird auch praktiziert. Diese Analyse anhand harter Leistungsfaktoren ermöglicht ebenfalls, wichtige Anhaltspunkte für strategische Entscheidungen zu gewinnen.

Die durch das ÖPNV- und durch die Exklusiv-Kundenbarometer gewonnenen Erkenntnisse waren und sind wertvolle Impulsgeber für die detaillierte Gestaltung und Weiterentwicklung des Angebots der Verkehrsunternehmen und Verbünde. Die permanente und langjährige Nachfrage nach diesen Erkenntnissen zeigt, dass dabei echter – und auch wirklich nachweisbarer – Mehrwert geschaffen werden kann.

Zusammenfassung

Das Kundenbarometer und alle ähnlich aufgebauten – auch telefonischen – Messmethoden sind sehr gut geeignet, der ÖPNV-Branche Informationen zu liefern, mit denen solide Optimierungs-Entscheidungen getroffen werden können. Die vergangenen mehr als 15 Jahre Erfahrung mit dem Gesamt-Instrumentarium haben gezeigt, dass Unternehmen und Verbünde viele wichtige Informationen erhalten haben und damit den ÖPNV in ihrer Stadt und/ oder Region im Sinne von gesteigerter Kunden­orientierung nachhaltig verbessern konnten.

Quelle:

(vgl. Parasuraman, A./Zeithaml, V./Berry, L.: SERVQUAL: A Multiple-Item Scale for Measuring Consumer Perception of Service Quality, in: Journal of Retailing, Vol. 64, Nr. 1, 1988, S. 12 - 40. DORNACH, F. / MEYER, A. (1995): Das Deutsche Kundenbarometer. Aktuelle Benchmarks für Qualität und Zufriedenheit- Teil 1: Grundlagen, in: Qualität und Zuverlässigkeit, 40. Jg.,1995, Nr. 12, S. 1385 - 1390.).

Das ÖPNV-Kundenbarometer ist in die Kritik geraten. Dort wird es auch bleiben.

Endlich wird mit offenem Visier argumentiert

Die Fürsprecher des ÖPNV-Kundenbarometers versuchen die Kritik an ihren Methoden zu widerlegen. Dabei bestätigen sie erstmals öffentlich wesentliche Schwächen ihres Designs.

Auf meinen Artikel in mobilogisch! 3/13 (Der Kunden-Zufriedenheits-Sieger-Wahn im ÖPNV) habe ich viel Zustimmung erfahren. Das ist erfreulich. Am erfreulichsten ist jedoch, dass Vertreter des kritisierten Verfahrens endlich einen Diskurs gesucht und die bisher gepflegte Praxis der „Hintergrundgespräche“ um eine öffentliche Auseinandersetzung ergänzt haben.

Die „Allzweckwaffe“ Global­zufriedenheit

Die meisten Bewohner(innen) unserer Städte sind Kunden öffentlicher Verkehrsbetriebe (zumindest nach der Definition des Kundenbarometers) und alle sind gleichzeitig Nicht-Kunden (= Nutzer anderer, auch konkurrierender Verkehrsmittel); aus Überzeugung, aus Mangel an Gelegenheit, aus Unwissen oder aus anderen Gründen. Bewerten die Befragten des Kundenbarometers den ÖPNV jetzt aus der Sicht eines Kunden, eines Nicht-Kunden, oder einer eher zufälligen Mischung aus beidem? Bei der Beantwortung der „allgemeinen und zusammenfassenden Frage nach der subjektiven Gesamtzufriedenheit“ müssten sie nämlich für all’ die unterschiedlichen Verhaltenssituationen, in denen sie sich tagtäglich befinden, blitzschnell im Kopf einen Mittelwert bilden.

Ein Verkehrsbetrieb in unserem Arbeitskreis zur Kundenzufriedenheit (siehe mobilogisch! 3/11) verzeichnet beispielsweise bei der explorativen Erfassung der Erfahrungen (bei der ÖPNV-Nutzung) in einem Jahr 7.024 Nennungen zu 1.372 Merkmalen. Das geht weit über die „üblichen“ 30 Merkmale solcher Untersuchungen hinaus und reicht von der „Anordnung von (Roll-)Treppen in der U-Bahn-Station“ (unzufrieden) bis zum „Rückschnitt des Randbewuchses an der Bushaltestelle“ (sehr zufrieden).

Diesem prallen Leben soll eine simple Frage gerecht werden: Wie zufrieden sind Sie mit den Leistungen des insgesamt?

Die wundersame Ermittlung der Erfahrungen

Aber die Versprechungen sind ja noch größer. Es soll ja auch „die Lücke zwischen den Erwartungen und dem, was man erhält“erfasst werden. Denn, so lernen wir „man vergleicht Erwartungen mit der Wirklichkeit“. Dabei ist die Messung von Erwartungen und Erfahrungen („Wirklichkeit“) kein einfaches Unterfangen und verlangt ein sorgfältig geplantes Untersuchungsdesign.

Es ist ein zentrales Anliegen der Socialdata-Kundenzufriedenheits-Untersuchungen, Erwar­tungen und Wirklichkeit zu vergleichen. Wir erfassen dafür in einem aufwändigen explorativen Verfahren die Erfahrungen, die Menschen bei der ÖPNV-Nutzung machen, und vergleichen sie mit deren Erwartungen. Dabei ergeben sich (meist) große Unterschiede. Bei dem oben genannten Verkehrsbetrieb gibt es unter den 30 (gängigen) Zufriedenheitsmerkmalen nur eines (!), bei dem Erwartungen und Erfahrungen (nahezu) gleiche Zufriedenheitswerte erreichen. Bei allen anderen sind entweder die Erfahrungen oder die Erwartungen besser/ schlechter, oftmals sehr deutlich. (Das „Platzangebot in Fahrzeugen“ erreicht beispielsweise einen Wert von +72 bei den Erwartungen und von +8 bei den Erfahrungen).

Wie diese enorme Spreizung beim ÖPNV-Kundenbarometer in einem einzigen Wert abgebildet werde soll, ist schwer nachvollziehbar. Und was uns dieser Wert dann sagen würde, erst recht. Auf jeden Fall nicht, dass die Kunden ein wesentlich besseres Platzangebot erwarten, als sie vorfinden. Genau das ist aber die Information, die der ÖPNV-Betrieb braucht.

Der kritiklose Einsatz des Telefons

Telefonbefragungen sind in der Branche sehr beliebt, weil (vermeintlich) einfach umsetzbar. Bei einem derart komplexen Thema wie der Alltagsmobilität wären aber Erhebungsverfahren angebracht, die den Befragten erlauben, nachzudenken, ihnen Zeit zur Reflexion und zur Berücksichtigung situativer Zusammenhänge geben.

Wir selbst setzen telefonische Befragungen auch und bewusst ein bei der explorativen Erfassung der Erfahrungen mit einer konkreten ÖPNV-Fahrt. Das dauert aber bei einem einzigen Weg (mit allen Etappen) schon 20-30 Minuten und damit etwa doppelt so lang wie beim Kundenbarometer alle 30 Merkmale (im 20-Sekunden-Takt) mit Globalzufriedenheit und Statistik.

Die Sahnehaube ohne Sahne

Der hier diskutierte mobilogisch! Artikel enthielt auch eine Tabelle, die (bei identischen Messverfahren) die Zufriedenheit mit dem ÖPNV in verschiedenen Städten auf drei Kontinenten zeigt. Die Unterschiede waren sehr groß und die Zufriedenheit in der nordwestlich von Seattle gelegenen Stadt Bellingham (ÖPNV-Anteil 4%) war deutlich besser (+51) als in Wien (+39).

Hier sorgen die Autoren Czech, Dr. Isfort und Dr. Krietemeyer jetzt für Klarheit. Es wird „nicht die Qualität des ÖPNV verglichen, sondern die Zufriedenheit der Fahrgäste mit dem ÖPNV.“ Allerdings, und das muss man hinzufügen, die Zufriedenheit mit dem jeweils eigenen System. Jetzt fragt man sich aber, was es beispielsweise den Basler Verkehrsbetrieben (Zufriedenheit +54) nutzen könnte, wenn sie wissen, dass die Wiener(innen) ein besseres System schlechter bewerten (+39)?

Das Subjektive an der Kundenzufriedenheit

Hinzu kommt, dass die subjektive Zufriedenheit eben subjektiv ist, also behaftet mit allen Merk­malen, die uns als Subjekte auszeichnen. Die Diskussion mit dem ersten ÖPNV-Unterneh­men, das uns ermuntert hat, die Kundenzufriedenheits-Methodik unter die Lupe zu nehmen, verdeutlicht das an einem Beispiel ganz gut: Der Marketingleiter dieses Unternehmens woll­te sich nämlich nicht damit zufrieden geben, dass beispielsweise die Fahrzeit schlecht eingeschätzt wurde. Denn er wusste ja nicht, ob die Fahrzeit wirklich zu lange gedauert hat oder ob die Befragten die Fahrzeit subjektiv überschätzt und dann schlecht eingeschätzt haben. Und damit wusste er auch nicht, ob er aufwändige Infrastruktur-Maßnahmen zur Verbesserung der Reisezeit braucht oder eine pfiffige Kampagne, die den Bürger(inn)en seiner Stadt klar macht, dass die Reisezeit ihres ÖPNV deutlich besser ist als sie selbst glauben.

Beim ÖPNV-Barometer punkten oder unternehmerisch handeln?

Das Kundenbarometer gibt darauf ebenso wenig eine Antwort wie auf die gezeigten Divergenzen zwischen Erwartungen und Erfahrungen. Das wäre noch hinnehmbar, wenn seine Vertreter nicht gleichzeitig erklären würden, das ÖPNV-Kundenbarometer wolle „Stärken und Schwächen identifizieren, um darauf reagieren zu können“. Und das nicht nur im Hinblick darauf „was die Zufriedenheit der Kunden betrifft, sondern insbesondere auch, was die tatsächlichen Ausprägungen der Leistungsmerkmale betrifft“.

Die Kunden des ÖPNV-Kundenbarometers sind nicht immer Fachleute in empirischer Forschung. Aber sie müssen die Möglichkeiten und Grenzen der ihnen angebotenen Methoden kennen. Dies zu vermitteln, wäre eine wichtige Aufgabe des zuständigen Verbandes (VDV). Der jedoch schließt die Augen und empfiehlt seinen Mitgliedern sogar den bedenkenlosen Einsatz eines mehr als bedenkenswerten Verfahrens. Den ÖPNV-Unternehmen ist damit nicht geholfen.

Wir hoffen, dass die seit über zehn Jahren überfällige Debatte jetzt endlich eröffnet ist.

Werner Brög

Dieser Artikel von Thomas Czech, Dr. Adi Isfort, Dr. Hartmut Krietemeyer und Werner Brög ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 2/2014, erschienen. 

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