Schon vor fünf Jahren hatte der FUSS e.V. dem Bundesverkehrsministerium und ausgesuchten Länderministerien im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplans deutliches Interesse an der Einbeziehung bei der Bearbeitung von Regelungen zum Fahrrad-Parken angezeigt. Es gab nur Unverständnis darüber, dass sich bei diesem Thema ein Fußverkehrsverband einmischen will. Anfang des Jahres wurden nun die „Hinweise zum Fahrradparken“ von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV veröffentlicht. Ein Regelwerk der Kategorie W1, das heißt es ist „innerhalb der FGSV, jedoch nicht mit Externen abgestimmt“. Es gibt also noch Diskussions-Spielraum.
In den Hinweisen wird eine „frühzeitige und kontinuierliche Öffentlichkeitsbeteiligung empfohlen“ (2.1) und so ist es wohl nicht abwegig, die Hinweise selbst auch noch einmal kritisch zu durchleuchten. Dabei soll ausdrücklich nicht die qualifizierte Hilfestellung bei der Auswahl von Fahrradhaltern, der Bestimmung der sinnvollen Anzahl oder der Darstellung verschiedener Betriebsformen von Abstellanlagen infrage gestellt werden. Obwohl das angegebene Mindestmaß von 1,00 Meter für Achsabstände der Fahrradhalter bei Doppelaufstellungen (3.4, Bild 4) keineswegs als komfortabel bezeichnet werden kann, wollen wir es dabei belassen und uns nur auf die Fragestellung der Aufstellorte aus der Sicht des Fußverkehrs konzentrieren.
Dazu gibt es erst einmal eine klare Ansage: „Im öffentlichen Straßenraum sollen Fahr-radabstellanlagen nur außerhalb der jeweiligen Verkehrsräume des Fuß-, Rad- und moto-risierten Verkehrs […] angelegt werden.“ Dann aber folgt sogleich: „Konkurrieren die Standorte oder der Flächenbedarf von Abstellanlagen mit Anforderungen anderer Ver-kehrsarten oder von Aufenthaltsnutzungen, sollte eine möglichst direkte Zuordnung der Abstellanlagen zu den Zielpunkten in die Abwägung einbezogen werden.“ (2.2) Dieser Satz macht einem etwas ratlos. Wenn es eine Flächenkonkurrenz gibt - und nur dann gibt es ja ein Problem -, dann ist sie damit zu beheben, dass die Räder möglichst zielnah platziert werden sollen? Noch verwirrender ist die folgende Wortwahl: „Behinderungen für den Fußgängerverkehr sind bei der Ausgestaltung der Fahrradparkplätze und der Anfahrwege zu vermeiden.“ (2.3.5) Laut StVO (§1, Abs. 2) muss sich nicht nur jeder so verhalten, dass kein anderer behindert wird, selbst eine Belästigung ist auszuschließen. Insofern ist auch eine derartige Gestaltung schlichtweg unzulässig.
Die Herausforderung wird schon im Abschnitt „Grundanforderungen“ benannt: „Je kürzer die von den Nutzenden geplante Parkdauer ist, umso geringer ist die akzeptierte Distanz zu den Eingängen“ und Zielorten (2.2). In der Praxis bedeutet dies, das Rad nur mal schnell und häufig auch ziemlich unachtsam irgendwo hinzustellen. Wenn man ohnehin gleich wieder da ist, braucht man das Rad nicht erst in die oben erwähnte Doppelaufstellung hineinzwängen. Selbstverständlich ist das Verhalten dem nur mal schnell sein Auto auf dem Gehweg, im Übergangsbereich an Kreuzungen oder an Haltestellen abstellen, sehr ähnlich. Alle parken immer nur kurz und sie wollen möglichst dicht am Ziel aus- oder eben absteigen.
In den Hinweisen wurde der Schwerpunkt gelegt, die Anlagen möglichst „im Nahbereich von Haltestellen“ (2.2) oder „in unmittelbarer Nähe zu den Eingängen“ (2.2) einzurichten. Für Bewohner sind „eingangsnahe Abstellanlagen“ (2.3.2) und auch bei Einzelhandel- und Dienstleistungsbetrieben „ist ein möglichst eingangsnaher Standort einzurichten.“ (2.3.5). Alles richtig, doch zeigt die Praxis, das das Abwägungsgebot – das in den Unterpunkten mit einer Ausnahme gar nicht mehr erwähnt wird – häufig zuungunsten des fließenden Fußverkehrs ausgelegt wird. Die Ausnahme sind die Bahnhöfe, dort ist „besonders darauf zu achten, dass Konflikte mit dem Fußgängerverkehr und anderen Verkehrsarten vermieden werden.“ (2.3.6).
Leider fehlen erläuternde Skizzen, auf denen dargestellt wird, wie denn nun die mögli-chen Konflikte vermieden werden können. Da, wo man es gar nicht erwartet, im Absatz „Sicherer Betrieb und einfache Reinigung“ steht: „Der Abstand von Fahrradhaltern einschließlich abgestellter Fahrräder zu taktil erfassbaren Bodenindikatoren (z.B. Leitstreifen), Abgrenzungen oder Leitlinien im Verkehrsraum des Fußgängerverkehrs sollte mindestens 1,50 m betragen.“(3.1). Aber immerhin, da „wo diese Elemente gezielt als multifunktionales Stadtmobiliar eingesetzt werden, sind die Belange des Fußgängerverkehrs, insbesondere die Abstände zu Leitlinien und Leitstreifen, besonders zu beachten.“(3.2.2).
„Die Parkstände müssen einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu angrenzenden Verkehrsanlagen haben und außerhalb von Sicherheitstrennstreifen zwischen Gehwegen, Radverkehrsanlagen und Fahrbahnen liegen.“ Was ausreichend ist, muss man sich aus anderen Regelwerken herauslesen. „Bei Fahrradparkständen neben stark genutzten Gehwegen […] sind Manövrierflächen außerhalb der anderen Verkehrsräume vorzusehen.“ „Die Verkehrsräume und die Sichtfelder zwischen den Knotenarmen und zwischen Fahrbahn und Aufstellflächen an Überquerungsstellen sind […] einzuhalten.“ (4.1) Für ein Regelwerk alles nicht besonders erhellend.
Die einzige Abbildung, in der ein möglicher Konflikt angedeutet wird, ist die „Prinzipienskizze Abstellanlagen im Knotenpunktbereich“ (4.2, Bild 8). Abgebildet sind ganz offensichtlich zu eng stehende Anlehnhalter für eine Doppelaufstellung mit einer Höhe und einer Länge von 0,80 m (0,80 / 1,30 können es ja nicht sein). (3.2.1) Schieben Sie da mal Fahrräder mit einer Länge von 2,00 m und einer Höhe von 1,25 m hinein. (3.4, Tab. 4) Da man ja in diesem Kreuzungsbereich versäumt hat, die Gehwegvorstreckungen mindestens 0,30 bis 0,70 m vor die Parkstandsbegrenzung vorzuziehen (EFA 2002, 3.3.3.2), will man natürlich auch nicht, dass ein Teil des Fahrrades vom fließenden Kfz-Verkehr mitgenommen wird. Da sehen sie mal, was von dem zeichnerisch dargestellten etwa 1,60 m breiten Gehweg übrig bleibt. Und versuchen Sie sich vorzustellen, welche Sichtbeziehungen für kleinere Kinder vorhanden sind, obwohl „auch belegte Fahrradhalter in der Regel ein geringeres Sichthindernis darstellen als regelgerecht oder auch regelwidrig abgestellte Kraftfahrzeuge.“(4.1) Nein, das überzeugt alles nicht so recht.
„Das Abstellen von Fahrrädern ist eine zentrale Säule der Radverkehrspolitik.“ (ADFC-Positionspapier). So sehen wir das auch und ergänzen: Es muss in erster Linie so umgesetzt werden, dass Fußverkehrsflächen weiterhin oder sogar durch sinnvoll aufgestellte Anlagen barrierefrei benutzt werden können. Radverkehrspolitik wird zukünftig in einem noch stärkeren Maße als bisher von der Akzeptanz von Fußgängern abhängen. Der Abbau von Ressentiments ist eine dringende Aufgabe, die sich auch der FUSS e.V. auf die Fahne geschrieben hat.
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV (Hrsg.), Arbeitsgruppe Straßenentwurf: Hinweise zum Fahrradparken, Ausgabe 2012, W1, Köln 2012
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV (Hrsg.), Arbeitsgruppe Straßenentwurf: Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen EFA, Ausgabe 2002, Köln 2002
Dieser Artikel von Bernd Herzog-Schlagk ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 2/2013, erschienen.
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