Fuß- und radverkehrsfreundliche, attraktive und sichere Gestaltungen von innerörtlichen Straßen und Plätzen gehören in der jüngeren Vergangenheit erfreulicherweise zum Repertoire kommunaler Planungen. Unsicherheiten bestehen vielerorts darin, welche Lösungen und Querschnitte zu wählen sind, wenn Flächenkonkurrenzen und enge Straßenräume zu verzeichnen sind. Zudem ist vielfach nicht klar, welche Regelungen für den Bestand gelten, was „einklagbar“ ist und wann etwas verändert werden muss oder sollte.
Die Ansprüche können vielfältig sein und von der Gewährleistung zumindest hinreichender Gehwegbreiten über sichere Radverkehrsanlagen, hinreichende Verkehrsqualität für den fließenden Kfz-Verkehr und den Öffentlichen Verkehr bis hin zur Befriedigung der Parkraumnachfrage reichen. Planende von Stadtstraßen und kommunalpolitische Entscheidungsträger scheinen allerdings mancherorts zu meinen, dass sie Hauptverkehrs- und Erschließungsstraßen nach ihrer eigenen Prioritätensetzung neu planen oder umgestalten können. Dies ist ein Trugschluss, der einen nicht unerheblichen Beitrag zu jährlich mehr als 300.000 verletzten Menschen leistet. Verstöße gegen sicherheitsrelevante Regeln der Technik können zu Personenschäden und in Fällen mit nachweisbaren kausalen Zusammenhängen zu Strafverfahren führen, die alle Beteiligten in hohem Maße belasten. Um dieses zu vermeiden, ist der jeweils aktuelle Stand der Technik zur Stadtstraßengestaltung heranzuziehen und generell so zu planen, dass unter Abwägung aller Nutzungsansprüche die sicherste Lösung umgesetzt wird. Hierbei sind wenigstens die Mindestanforderungen an Gehwegbreiten zu beachten.
Obwohl seit nunmehr 15 Jahren fest verankert scheint es immer noch zu wenig bekannt, dass für Gehwege selbst in Wohnstraßen – und nur bei wenig Schwerverkehr und nur in Straßenräumen ohne Hausfassaden und Wände - eine Mindestbreite von 2,10 m in den straßenplanerischen Regelwerken verankert ist. In Hauptverkehrsstraßen mit Schwerverkehr und Hausfassaden sind es mindestens 2,50 m – nachzulesen sowohl in den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen RASt [1], als auch in den Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen EFA [2] und den Hinweisen für barrierefreie Verkehrsanlagen HBVA [3]. Die veraltete Vorgabe eines Mindestmaßes von 1,50 m existiert sowohl im aktuellen Regelwerk als auch in der Straßenverkehrsordnung und der entsprechenden Verwaltungsvorschrift schon lange nicht mehr. Im Gegenteil: die RASt [1] formulieren Anforderungen für einen über die Mindestmaße hinausgehenden Raumbedarf, der beispielsweise vor Geschäften ein Minimum von 5,00 m Breite erfordert.
Konkret heißt es in Ziffer 6.1.6.1 der RASt [1]: „Zwei Fußgänger sollen sich begegnen können: Dies erfordert neben der zum Gehen benötigten Breite der beiden Fußgänger einen Begegnungsabstand (Verkehrsraum). Zur Fahrbahn und zur Hauswand sind jeweils Abstände einzuhalten. Wie im Bild 70 dargestellt ergibt sich daraus im Regelfall eine Seitenraumbreite von 2,50 m. Diese kann sich je nach Entwurfssituation verbreitern.“ Ein „sollten“ wird in diesem Zusammenhang also nicht verwendet.
Konkrete Anforderungen enthalten die RASt [1] auch in Bezug auf die Frage, wann ein Gehweg mit diesen Mindestbreiten erforderlich ist und wann darauf verzichtet werden kann:
Nur Erschließungsstraßen, die nach dem Mischungsprinzip entworfen werden, können nach RASt [1] ohne Gehwege mit den oben genannten Mindestbreiten ausgestattet werden. Gemeint sind damit Straßenräume, die mit dem Zeichen 325 der StVO als verkehrsberuhigte Bereiche ausgewiesen und als Mischflächen gestaltet sind. Die Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung enthält wiederum Einsatzgrenzen, wie überwiegende Aufenthaltsfunktion und sehr geringer Verkehr, die die Anordnung des Zeichens 325 ermöglichen. Dies erscheint auch planerisch sinnvoll, denn ein erwünschtes Kinderspiel auf dafür geplante Straßen wird wohl kaum noch in Quartiers- oder Sammelstraßen, sondern nur in kurzen Abschnitten mit ausschließlichem Anliegerverkehr funktional und sicher möglich sein.
Die RASt [1] berücksichtigt auch die Ansprüche von Mobilitätseingeschränkten und enthält hierzu entsprechende Vorgaben bezüglich der Ausgestaltung und Dimensionierung von Gehwegen. Dabei soll die Benutzung straßenbegleitender Gehflächen durch die Beachtung folgender Punkte erleichtert werden:
Begrenzungsstreifen und Kanten müssen nach RASt [1] mit den Füßen und mit dem Langstock wahrnehmbar sowie optisch kontrastierend ausgebildet sein, wobei Radwege zusätzlich in taktil wahrnehmbarer Form von den Gehwegen abzugrenzen sind. Hier sprechen die RASt [1] eine eindeutige Sprache – diesbezügliche Ausnahmen sind in den RASt [1] nicht aufgeführt.
Konkretisierungen zur barrierefreien Ausgestaltung enthalten zudem neben verschiedenen DIN-Normen die HBVA [3], die in der nächsten Ausgabe zu einem Regelwerk aufgewertet werden sollen und damit eine noch höhere Verbindlichkeit aufweisen werden.
Als Zwischenfazit ist dementsprechend festzuhalten, dass die oben aufgeführten Mindestanforderungen in den RASt [1] seit nunmehr 15 Jahren keineswegs mit Begrifflichkeiten wie „sollten“ empfohlen, sondern mindestens als Standard, oft auch als Vorgabe aufgeführt sind. Darüber hinaus handelt es sich um Mindestwerte, die möglichst überschritten werden sollten. Für bestimmte Situationen, wie für Geschäftsstraßen, sind zudem darüberhinausgehende Mindestanforderungen formuliert.
Straßenplanungen der heutigen Generation sind von Flächenkonflikten, von außerplanerischen Ansprüchen sowie von politischen und gesellschaftlichen Einflüssen geprägt. Welche Prioritäten bei Abwägungsprozessen gesetzt werden, mögen von kommunalpolitischen Mehrheiten, von der Akzeptanz in der Bürgerschaft, von finanziellen Ressourcen und letzten Endes vom Einzelfall abhängen. Dagegen wäre prinzipiell nichts einzuwenden, wenn eine funktionelle und immer die sicherste Lösung gewählt werden würde. Dieses gelingt durchaus – nämlich mit Einhaltung der Vorgaben und Standards der Regelwerke.
Viele mögen nun anführen, dass die Einhaltung der Vorgaben und Standards der Regelwerke bei den vielen Ansprüchen in Hauptverkehrs- und Erschließungsstraßen nahezu niemals gelingt. Vielleicht wird auch argumentiert, dass Regelwerke wie die RASt [1], die EFA [2] oder die HBVA [3] nicht – und aktuelle Empfehlungen aus der Forschung schon gar nicht - eingeführt seien, daher bei Abwägungen höchstens als Richtschnur dienen können und die Regelungen nicht verbindlich wären.
Dem ist Folgendes zu entgegnen:
Abwägungen sind bei Stadtstraßenplanungen selbstverständlich. In den RASt [1] ist unter Ziffer 1 dazu ausgeführt: „Das Hauptziel bei Planung und Entwurf von Stadtstraßen ist die Verträglichkeit der Nutzungsansprüche untereinander und mit den Umfeldnutzungen, die auch die Verbesserung der Verkehrssicherheit einschließt.“
„Dabei wird es vielfach - vor allem in Innenstädten – notwendig sein, die Menge oder zumindest die Ansprüche des motorisierten Individualverkehrs an Geschwindigkeit und Komfort zu reduzieren und den Fußgänger- und Radverkehr sowie den öffentlichen Personenverkehr zu fördern. Dadurch lassen sich viele problematische Situationen an vorhandenen Stadtstraßen verbessern und an geplanten Stadtstraßen von vornherein vermeiden.“ Als Hauptziel wird insofern die Verbesserung der Verkehrssicherheit explizit genannt. Dazu passt es nicht, wenn beispielsweise aus wirtschaftlichen Erwägungen sicherheitsrelevante Regeln missachtet und Gehwege mit einer Breite unterhalb der Mindestbreite konzipiert werden. Ebenso wenig funktional und sicher ist es, auf taktil wahrnehmbare und optisch kontrastierende Begrenzungsstreifen aus städtebaulich-visuellen Gründen zu verzichten. Unverständlich und gefährlich ist es zudem, wenn Parkstände dort angelegt oder dort akzeptiert werden, wo sie die verbindlich einzuhaltenden Sichtdreiecke an Knotenpunkten oder an Überquerungsanlagen beeinträchtigen.
Weltweit existieren recht unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Aufstellung und Anwendung von Regeln zur Stadtstraßengestaltung. Sie reichen von wenigen, aber vorgeschriebenen Standards, von denen nicht abgewichen werden darf, bis hin zu dicken Handbüchern ohne Verbindlichkeitscharakter. Die in Deutschland gewählte Lösung liegt diesbezüglich „in der Mitte“. Die anerkannten Regeln der Technik und der Stand der Technik sind bei Planungen zu beachten. Wird davon abgewichen und sind diese Abweichungen sicherheitsrelevant und vermeidbar, dann liegt die Verantwortung bei den handelnden Planerinnen und Planer. Können die Regeln nicht umgesetzt werden, weil der Platz zwischen zwei Hauskanten nicht ausreicht, um Fahrbahn und Gehweg regelkonform zu gestalten, ist daran nichts auszusetzen. Liegen triftige Gründe, wie die Notwendigkeit einer sicheren Radverkehrsanlage in einem bestehenden Straßenraum vor, kann es sein, dass Kompromisse mit geringerer Gehwegbreite eingegangen werden müssen.
Liegen die Gründe aber in einer wirtschaftlicheren Vorgehensweise (z.B. geringere Gehwegbreiten, um mehr Grundstücksfläche vermarkten zu können) oder in der Befriedigung einer Parkraumnachfrage, für die auch andere Lösungen gewählt werden könnten (z.B. Längsparkstände im Straßenraum statt Stellplatznachweis auf den Grundstücksflächen und/oder auf einer abgegrenzten Fläche), sind verringerte Gehwegbreiten weder planerisch, noch rechtlich vertretbar. In solchen Fällen sollten „alle Hebel in Bewegung gesetzt werden“, um eine Umsetzung zu vermeiden. Dabei können interne Verfahrensweisen der Ämterabstimmung oder Bürgereinwände ebenso helfen wie unabhängige Sicherheitsaudits, die etwaigen Klageandrohungen oder gar Klagen vorgezogen werden sollten. Hilft das alles nichts, können Rechtsmittel ggf. dann helfen, wenn Regelwerkverstöße vorliegen und/oder nachweislich unsichere Lösungen umgesetzt werden sollen.
Gehwege erfüllen in vielen Fällen die oben aufgeführten Mindestanforderungen nicht. Zufußgehende treffen auf ihren Wegen vielfach auf Hindernisse oder sind Konflikten mit anderen Verkehrsteilnehmenden ausgesetzt. Oft fehlt auch ein Gehweg oder die Gehwege sind viel zu schmal und lückenhaft. Legal oder illegal abgestellte Fahrzeuge, Fahrräder und E-Scooter versperren den Weg, Bewuchs schränkt die Gehwegbreite vielfach ein, Auslagen, Einbauten oder Parkstände führen oft zu Situationen, in denen höchstens noch ein „Schrammbord“, aber kein Gehweg mehr zu verzeichnen ist.
Sowohl planerisch, als auch rechtlich gibt es leider keine eindeutigen Vorgaben, die Einfluss auf den Bestand haben – und wenn, dann werden sie oft missachtet. So darf beispielsweise das Parken auf Gehwegen mit Zeichen 315 der StVO nur zugelassen werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Zufußgehenden gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt. Dennoch werden in der Praxis häufig verbleibende Gehwegbreiten von 1,50 m oder weniger geduldet und Gehwegparken angeordnet. Jedenfalls sind die Mindestanforderungen der Regelwerke im Bestand eindeutig nicht „einklagbar“ – Vorgaben für den Bestand müssten in der Straßenverkehrsordnung und der zugehörigen Verwaltungsvorschrift verankert sein.
Die Verkehrsministerkonferenz hat Mitte April 2021 einen Vorschlag zur Novellierung des Rechtsrahmens zur Erhöhung der Sicherheit und Attraktivität des Fußverkehrs verabschiedet, nachdem das Parken auf Gehwegen nur zugelassen werden darf, wenn eine Gehwegbreite von mindestens 1,80 Metern zzgl. der nötigen Sicherheitsabstände gemäß den RASt [1] bleibt. Wird dieser Vorschlag in den StVO verankert, wirkt dieses auch in den Bestand, so dass davon abweichende Anordnungen wieder zurückgenommen werden müssen. Zudem sollen die Sichtfelder der RASt [1] nach diesem Vorschlag auch in der StVO verankert werden, so dass das Parken je 20 m vor Kreuzungen, Einmündungen und Querungshilfen des Fußverkehrs bei 50 km/h, 10 m bei 30 km/h künftig unzulässig würde. Insofern sollen Gehwege zukünftig mehr als bisher freigehalten werden, was Missstände noch nicht beseitigen, aber mindern wird.
Viele Veränderungen im In- und Ausland zeigen, dass man sich den künftigen Herausforderungen stellen und äußerst erfolgreich Fußverkehr fördern kann. Die wesentlichen Erfolgsfaktoren sind die Einführung angepasster Geschwindigkeiten sowie Flächenumwandlungen in städtischen Straßen, die positiv wirkende Gestaltungen und ein gutes Kleinklima in den Straßenräumen ermöglichten. Dabei hat sich auch das Verkehrsklima geändert – aus Straßen, durch die man durchgefahren ist, wurden Räume, in denen man sich wohl fühlt, die man sich sehr gerne erläuft und in denen man verweilt, miteinander kommuniziert und wertvolle Zeit verbringt. Forschungsergebnisse zeigen, dass Tätigkeiten, wie Verweilen, mit anderen sprechen oder Spielen und Sport in Straßen mit 30 km/h und guter Qualität des Seitenraumes um den Faktor 2, in Straßen mit 20 km/h um den Faktor 3 ansteigen, wenn dort vorher 50 km/h gefahren wurde. Reduzierte Geschwindigkeit einhergehend mit ausreichend Platz für den Fußverkehr bringt völlig unstrittig nicht nur mehr Lebensqualität, sondern auch mehr Verkehrssicherheit in unsere Städte.
Politische Entscheidungstragende haben dieses auch in einigen deutschen Städten erkannt und setzen es erfolgreich um. Beispielsammlungen von gut gestalteten Plätzen und Straßen sowie Argumentations- und Entscheidungshilfen finden sich auf vielen Websites (Beispiele: [4] bis [11]. So haben beispielsweise Hamburg eine ehemalige Hauptverkehrsstraße in einen Schulhof integriert, Freising das Zentrum vom parkenden Verkehr befreit oder Aachen Premiumwege ins Aachener Grün barrierefrei und komfortabel gestaltet. So ist der Fußverkehr auf dem Vormarsch und es sieht so aus, dass – unterstützt durch eine im Jahr 2022 vorgesehene Nationale Fußverkehrsstrategie und eine Fußverkehrs-Novelle der StVO – gravierende Veränderungen des städtischen Verkehrsgeschehens anstehen, die uns guttun werden. Die Einhaltung von Mindestanforderungen an Gehwege ist dabei nur ein Baustein, aber ein durchaus wichtiger Bestandteil auf dem Weg zu einem klimaneutralen Verkehr.
Das gültige Regelwerk zur Stadtstraßengestaltung enthält Mindestanforderungen zur Planung von Gehwegen. So beträgt die Mindestbreite von Gehwegen in Hauptverkehrsstraßen 2,50 m. Die Mindestanforderungen sind sicherheitsrelevante und anerkannte Regeln der Technik. Für Abweichungen hiervon müssen triftige Gründe vorliegen. Die Mindestanforderungen gelten gleichwohl nicht für den Bestand. Nach einem Vorschlag der Verkehrsministerkonferenz für eine „Fußverkehrs-Novelle“ der StVO müssen bestehende Gehwege zukünftig mehr als bisher freigehalten werden, was Missstände noch nicht beseitigen, aber mindern wird.
Unter www.geh-recht.de → Fußverkehrsanlagen → „Allgemeine Anmerkungen zu den Planungsgrundlagen“ finden Sie noch ergänzende Erläuterungen zu diesem Themenkomplex.
Dieser Artikel von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gerlach ist in mobilogisch!, der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 2/2021, erschienen.
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Für die Sicherheit von Fußgängern vor Abbiegern an Ampeln sind konfliktfreie (fußgängersichere) Ampelschaltungen elementar. Während die „Getrennte/Separate Abbiegephase“ öfter angewandt wird, muss man Rundum-Grün mit der Lupe suchen. Hier Argumente, wie dem abzuhelfen ist.
Laut Jahresbericht 2019 „Verkehrsunfälle“ des Statistischen Bundesamts [1] waren von 3.046 Menschen, die 2019 bei Verkehrsunfällen ums Leben kamen, 417 Fußgänger (S.46). Bei 959 Unfällen beim Abbiegen waren Fußgänger schuld (S.304). Dagegen verunfallten 1.914 Menschen, davon 23 tödlich, durch „falsches Verhalten gegenüber Fußgänger an Fußgängerfurten“ (S.309). In aller Regel bedeutet dies: Die Abbieger missachteten Fußgänger-Grün. Bei Grün kamen also annähernd doppelt so viele Menschen zu Fuß zu Schaden wie bei Rot.
Die Unfallforschung der Versicherer (UdV) betont die wichtige Rolle von Ampeln (neben Zebrastreifen oder Mittelinseln) bei der Verbesserung der Sicherheit beim Queren:
„Fußgänger sind im Straßenverkehr besonders gefährdet. (…) Die größten Gefahren bestehen beim Überqueren von Straßen und an Kreuzungen. Zur Verbesserung der Verkehrssicherheit von Fußgängern können je nach Randbedingungen und bei entsprechender Gestaltung Ampeln, Zebrastreifen oder Mittelinseln die Sicherheit beim Queren verbessern.“ [2]
Ursache für Konflikte und Unfälle an signalgeregelten Knoten ist die „Parallelschaltung“ der Ampeln (auch als 2-Phasen-Steuerung oder „paralleler Fußgänger“ bezeichnet). Hierbei erhalten Fußgänger, die auf den parallel zu den Fahrtrichtungen liegenden Fußgängerfurten queren, gleichzeitig Grün mit abbiegenden Fahrzeugen. Diese müssen gemäß StVO § 9 (3) den Vorrang des querenden Fußgänger-, ggf. auch des querenden Radverkehrs, beachten.
„Fußgänger kreuzen gemeinsam mit Fahrzeugen, abbiegende Fahrzeuge müssen auf Fußgänger achten“ Bildquelle für diese sowie die nachfolgenden beiden Grafiken: udv.de/de/publikationen/unfallforschung-kommunal/diagonalquerung; Textquelle für die drei Bildunterschriften: dito
In den „Richtlinien für Lichtsignalanlagen“, RiLSA 2015 [3, Nr. 2.3.1.1] wird die Parallelschaltung als „bedingt verträglich“ bezeichnet. Da es hierbei aber häufig zu Konflikten kommt, nennen wir sie intern „Konfliktschaltung“. Auch die UdV betont die Konfliktträchtigkeit der Parallelschaltung: „Die Praxis zeigt an Hand der hohen Unfallzahlen, dass die sogenannten bedingt verträglichen Verkehrsströme eben nicht verträglich sind, wenn sie gleichzeitig auftreten.“ [4, S.9]
Im Jahre 2012 veröffentlichte die BASt (Bundesanstalt für Straßenwesen) den Forschungsbericht: „Verbesserung der Bedingungen für Fußgänger an Lichtsignalanlagen“. [5] Danach ist es „denkbar, dass an einem Knotenpunkt mit 4 Furten täglich bis zu 60 Verkehrsauffälligkeiten/ Konflikte auftreten.“ [5, S.93]
Das einzige Mittel, signaltechnisch bedingte Abbiegeunfälle und -konflikte an Ampeln zu verhindern, sind konfliktfreie (fußgängersichere) Ampelschaltungen. Dabei ist gleichzeitiges Grün von links- oder rechtsabbiegenden Fahrzeugen und querenden Fußgängern (oder Radfahrern) auf Fußgängerfurten durch die Signalsteuerung ausgeschlossen. Dies wird ermöglicht durch die Einrichtung einer eigenen Phase für den Fußgänger- bzw. Kfz-Verkehr.
a) Rundum-Grün
„Fußgänger haben eine eigene Ampel-Phase und können alle Kreuzungsarme gleichzeitig queren – diagonales Queren ist jedoch nicht zulässig.“
b) Diagonalgrün (Rundum-Grün mit Diagonalquerungsmöglichkeit)
“Fußgänger haben eine eigene Ampel-Phase und dürfen die Kreuzung auch diagonal queren“.
c) Getrennte/Separate Abbiegephase mit grünen oder roten Leuchtpfeilen
Die Verwaltungsvorschrift zu § 25 StVO besagt: „Die Sicherung des Fußgängers beim Überqueren der Fahrbahn ist eine der vornehmsten Aufgaben der Straßenverkehrsbehörden und der Polizei“. [6, Zu § 25 Fußgänger Zu Absatz 3 I. Rz. 1]. In der Verwaltungsvorschrift zu StVO §§ 39-43 heißt es, dass „die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer der Flüssigkeit des Verkehrs [vorgeht].“ [14, §§ 39-43 I Nr.2. Rz.5]
„Rundum-GRÜN für Fußgänger kann an Knotenpunkten mit starkem Fußgängerverkehr und geringem Kraftfahrzeugverkehr angewendet werden. Die Fußgänger erhalten an allen Furten gleichzeitig eine Freigabezeit, während alle Fahrzeugsignale ROT zeigen. Eine derartige Fußgängerphase mit Alles-ROT für den Fahrzeugverkehr vermeidet die mögliche Gefährdung der Fußgänger durch abbiegende Fahrzeuge.“ [7, Nr.2.3.1.5]
Kommentare:
1. Schnell gehende Fußgänger kommen i.d.R. auch diagonal über eine Rundum-Grün-Kreuzung; gutwillige Straßenbauträger und Verkehrsbehörden rechnen inoffiziell diagonales Queren nach Möglichkeit mit ein.
2. Für rechtsabbiegende Fahrzeuge steigt die Kapazität durch Rundum-Grün, da an Fußgängerfurten nicht mehr auf querende Fußgänger gewartet werden muss.
3. Die Beschränkung auf „Knotenpunkte mit starkem Fußgängerverkehr und geringem Kraftfahrzeugverkehr“ ist ausschließlich an der gewünschten Optimierung von Fahrzeugkapazitäten orientiert und schließt einen Großteil signalisierter Knotenpunkte aus. Es besteht aber ein Ermessensspielraum für die Behörden (Straßenbaulastträger und Straßenverkehrsbehörde).
„Der Einsatz konfliktfreier Signalschaltungen (keine gleichzeitige Freigabe von abbiegenden Kraftfahrzeugen und Fußgängern) ist besonders an Fußgängerfurten mit hohem Anteil von Kindern, älteren und behinderten Menschen und an Zufahrten mit hohem Schwerverkehrsanteil (bei den Abbiegern) zu prüfen. Beispielsweise vermeiden Rundum-Grün-Schaltungen Konflikte zwischen Fußgängern und Fahrzeugen. Solche Steuerungen führen aber zu einer zusätzlichen Phase, die die Gesamtwartezeiten verlängern. Bei starken Übereck-Fußgängerströmen kann gegebenenfalls durch eine Furtmarkierung eine Diagonalverbindung ermöglicht werden. Besonders in Hauptgeschäftsstraßen trägt dies zur Akzeptanz von Anlagen des Fußgängerverkehrs bei. Gute Möglichkeiten zum Einsatz einer Rundum-Grün-Schaltung sind an Kreuzungen mit einer oder zwei abführenden Einbahnstraßen gegeben.“ [8, Nr.3.3.5.2]
Die UdV fasst die Ergebnisse einer Studienarbeit an der TU Dresden zu Diagonalgrün (2011) wie folgt zusammen:
Einsatzempfehlung
Wenn Rundum-Grün geschaltet wird, muss in der Signalsteuerung eine zusätzliche Fußgänger-Phase eingerichtet werden. Dadurch erhöht sich häufig die Umlaufzeit der Signalanlage. Eine solche Erhöhung ist aber nicht zwangsweise der Fall: Bei den in Aachen im Rahmen eines Modellversuches (1990/91) eingerichteten Rundum-Grün-Schaltungen wurde die eigene Fußgängerphase durch Reduzierung der Grünzeiten, i.d.R. für alle Verkehrsströme, ermöglicht. [10, Tab.1-15; 11, S.III; 12, S.IIf.]
Zur Schaffung größtmöglicher Sicherheit von Fußgängern vor Abbiegern an Ampeln sollte man immer auch die andere Variante der konfliktfreien Ampelschaltung: Getrennte/Separate Abbiegephase im Auge behalten. Auch bei dieser Steuerung muss das Signalprogramm um eine weitere Phase erweitert werden. Das getrennte/separate Abbiegen erfolgt mit Hilfe von Leuchtpfeilen, die jeweils nur eine Abbiegebeziehung betreffen. Daher sind nicht solch lange Grün- oder Räumzeiten für Fußgänger erforderlich wie bei Rundum-Grün und die Auswirkungen auf die Wartezeiten möglicherweise geringer. Auch bei der getrennten/separaten Abbiegephase steigt die Leistungsfähigkeit der Abbieger. Voraussetzung ist eine Abbiegespur am Knoten.
Bei zweistreifigem Abbiegeverkehr ist eine getrennte/separate Abbiegephase sowohl für den Links- als auch für den Rechtsabbiegeverkehr generell vorgeschrieben. Für den Linksabbiegeverkehr heißt es außerdem:
„Die signaltechnisch gesicherte Führung von Linksabbiegern sollte aus Gründen der Verkehrssicherheit insbesondere außerorts angestrebt werden und ist umso dringlicher,
In ihrer Broschüre „Wesentliche Neuerungen der RiLSA 2010 und Anmerkungen zur Verkehrssicherheit“ plädiert die UdV für getrennte Signalphasen sowohl für Links- als auch für Rechtsabbieger. Sie begründet dies mit Verkehrssicherheitsargumenten:
„Aus der Sicht der Verkehrssicherheit sollte sowohl die signaltechnisch ungesicherte Führung von Linksabbiegern als auch die zeitweilig gesicherte Führung der Linksabbieger nicht mehr verwendet oder neu geplant werden.“
„Aus Sicht der Verkehrssicherheit sollte die gesonderte Signalisierung der Rechtsabbieger bzw. eine signaltechnische Trennung der Rechtsabbiegeströme und der parallelen Fußgänger-/Radverkehrsströme der Regelfall sein.“ [4, S.9f.]
In ihrer Broschüre aus dem Jahr 2013 „Sichere Knotenpunkte für schwächere Verkehrsteilnehmer“ fordert die UdV, dass „separate Phasen für Linksabbieger bei bestimmten Rahmenbedingungen, wie z. B. eingeschränkte Sichtverhältnisse oder hohe Verkehrsmengen, verbindlich eingeführt werden.“ [13, S.2]
Der „Deutsche Verkehrssicherheitsrat“ veröffentlichte im November 2020 die Broschüre: „Verbesserung der Sicherheit für zu Fuß Gehende“. [14] Darin heißt es:
„An Lichtsignalanlagen sollte der Fußverkehr möglichst konfliktfrei mit eigenen Signalphasen geführt werden; insbesondere dann, wenn erforderliche Sichtfelder auf zu Fuß Gehende nicht freigehalten werden können (z.B. bei Häuservorsprüngen), bei viel Abbiegeverkehr oder hohen Abbiegegeschwindigkeiten sowie zweistreifigem Abbiegen.“ (S.3)
„Vor allem beim Linksabbiegen können zu Fuß Gehende schnell übersehen werden. Kreuzungen mit Ampeln sollten daher stets eigene Signalphasen für den links abbiegenden Verkehr haben.“ (S.10)
Um starke Wartezeiterhöhungen zu vermeiden, kann man fordern,
Schließlich kann man verkehrspolitisch argumentieren: 22% aller Wege sind nach 1 km zu Ende, weitere 13% nach 2 km. Würde nur die Hälfte aller innerstädtischen Autofahrten unter 2km durch Zufußgehen, Radfahren oder Nutzung des ÖPNV ersetzt, könnte man die Umlaufzeit einer Signalanlage – und damit auch die Wartezeiten (teilweise beträchtlich) verringern.
Wie im Ausland häufig zu sehen, könnte man die Wartezeit durch Anzeige der Restrotzeit sichtbar und so erträglicher machen.
Die Parallelschaltung der Ampeln hat ein hohes Konfliktpotenzial für Fußgänger und Radfahrer. Signaltechnische Sicherheit vor dem Abbiegeverkehr bekommen die schwächeren Verkehrsteilnehmer nur durch konfliktfreie (fußgängersichere) Ampelschaltungen. Der Artikel beschreibt die drei Varianten der fußgängersicheren Ampelschaltung, die dazugehörigen Bestimmungen aus den Regelwerken sowie Empfehlungen der Fachwelt. Menschen, die sich für sichere Ampelschaltungen einsetzen wollen, bekommen viele praktische Hinweise.
Dies ist eine Kurzfassung. Der vollständige Artikel kann unter www.umkehr-fuss-online-shop.de → Kostenlose Downloads → Themen-Websites → Geh-Recht → Konfliktfreie Ampelschaltungen
[1] Statistisches Bundesamt, Fachserie 8, Reihe 7: Verkehrsunfälle 2019. www.destatis.de Themen → Gesellschaft und Umwelt → Verkehrsunfälle → Verkehrsunfälle - Fachserie 8 Reihe 7 - 2019
[2] udv.de/de/strasse/fussverkehr
[3] RiLSA 2015. Hrsg. von der FGSV, Köln 2015, Nr. 2.3.1.5.
[4] udv.de › download › file › fid Wesentliche Neuerungen der RiLSA 2010 und Anmerkungen zur Verkehrssicherheit
[5] Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft V 217, November 2012. In: docplayer.org/49155957- Verbesserung-der-bedingungen-fuer-fussgaenger-an-lichtsignalanlagen.html
[6] Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO). www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de.
[7] RiLSA 2015. Hrsg. von der FGSV, Köln 2015.
[8] Empfehlungen für Anlagen des Fußgängerverkehrs (EFA 2002). Hrsg. von der FGSV, Köln 2002.
[9] Siegfried Brockmann, Leiter Unfallforschung der Versicherer der UDV: Eigene Phase für Fußgänger an Kreuzungen mit Ampeln - „Diagonalgrün“ – Pressegespräch. Bonn, 16.12.1011. udv.de/download/file/fid/7260.
[10] Heusch-Boesefeldt: Verbesserung der Lichtzeichenregelung in städtischen Straßennetzen: Schlußbericht – Kurzfassung, ohne Ort und Jahr.
[11] Struben, P.: Modellversuch Fußgängersichere Ampelschaltung in Aachen. In: Umwelt Kommunal/Umwelt Archiv Nr. 162/31.08.92.
[12] ders.: Fußgängersichere Ampelschaltung in Aachen – eine Zwischenbilanz, Teil 1 und Teil 2. In: Umwelt Kommunal/Umwelt Archiv Nr. 251/31.1.1996 bzw. Nr. 25/14.2.1996.
[13] UdV: Sichere Knotenpunkte für schwächere Verkehrsteilnehmer. In: Unfallforschung kommunal, Nr. 17, 10/2013. udv.de/de/publikationen/unfallforschung- kommunal/sichere-knotenpunkte-fuer-schwaechere-verkehrsteilnehmer.
[14] DVR: Verbesserung der Sicherheit für zu Fuß Gehende - Beschluss vom 28.10.2020 auf Basis der Empfehlungen des Vorstandsausschusses Verkehrstechnik. www.dvr.de/ueber-uns/beschluesse/verbesserung-der-sicherheit-fuer-zu-fuss-gehende.
Dieser Artikel von Peter Struben ist in mobilogisch!, der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 1/2021, erschienen.
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Turnschuhe für Youngster hie, edle Parkett-Treter dort - aber was empfiehlt sich für städtische Vielgeher? Das fragten wir Dr. Claudia Schulz, Sprecherin des Deutschen Schuh-Instituts in Offenbach.
? Es gibt einerseits leichte Schuhe für Jogger und Disco, andererseits schicke Schuhe für Leute, denen schickes Design wichtiger zu sein scheint als schmerzfreie Füße. Aber was ist mit städtischen Vielgehern – ist das keine interessante Gruppe für Ihre Branche?
! Doch, sie werden immer interessanter. Mehr und mehr Menschen gehen in der Stadt ganz bewusst. Ein Stück des Arbeitswegs zu Fuß oder ein bisschen Trekking light nach Feierabend machen den Alltag reicher.
? Was sind die richtigen Schuhe für städtische Vielgeher?
! Sie sollten atmungsaktiv und damit gut für unterschiedliche Temperaturen sein, also am besten aus Leder, aber auch aus Baumwolle und Leinen. Leder ist allerdings besonders strapazierfähig. Eine Membran gegen Nässe sollte er haben, Goretex und Sympatex sind weit verbreitet. Innen sollte er an den wichtigsten Stellen gut gepolstert sein. Auch ein auswechselbares Fußbett ist gut, vor allem wenn man eigene Einlagen einsetzen möchte.
? Ist es eher Wanderschuh, Turnschuh oder der klassische Straßenschuh?
! Genau zwischen Wander- und Turnschuh. Am besten sind sie knöchelhoch, so wie die gerade modischen Trekkingschuhe. Und im Sommer gehen Trekkingsandalen gut.
? Also in der Anmutung eher sportlich als klassisch und schick?
! In Aufbau und Materialien ja, aber nicht unbedingt im Aussehen. Die Sportivität kommt gerade auch den Komfortschuhen zugute. Wenn Sie beides vereinen wollen, fragen Sie nach Hybriden oder Business-Sneaker. Sie haben die Sohle und die Funktionalität fürs Sportliche, können aber bei der Schaftgestaltung ziemlich schick sein, bis hin zu Budapester Lochungen oder auch mit Kroko-Prägung und in klassischem Dunkelbraun und Schwarz.
? Das klingt nach etwas für konservative junge Leute mit viel Geld – also eine ziemlich kleine Gruppe.
! Nein, achten Sie mal drauf, was für Leute in der Stadt leichte Trekkingschuhe tragen. Frauen, Männer, Kinder – bei allen finden Sie das. Diese Art von Schuhen kann man in jedem Alter tragen, auch mit 80 noch. Sport- und Freizeitschuhe insgesamt machen inzwischen 30 Prozent vom Branchenumsatz aus, fast so viel wie klassische Damenschuhe und doppelt so viel wie klassische Schuhe für Herren.
? Sind sportliche Schuhe nicht eher etwas für weiche Böden im Park, für den Rasen oder die Turnhalle?
! Gerade nicht. Die Leute sollen auch auf Asphalt das Gefühl haben, sie laufen auf Sand oder Waldboden. Dafür braucht es aber flexible, funktionelle Sohlen, zum Beispiel mit Luftpolstern.
? Wieviele Kilometer halten gute Gehschuhe?
! Das kann man nicht allgemein sagen, es hängt nicht zuletzt von der Pflege ab. Den stärksten Verschleiß erlebt die Sohle. Darum sollte man beim Kauf auch auf hohe Abriebfestigkeit achten. Gut ist es auch, wenn Hersteller selbst einen Reparaturservice bieten. Ganz allgemein gilt: Hochwertige Schuhe sind auch besonders gut zu reparieren.
? Für manche eine Glaubensfrage ist der Verschluss: Senkel, Klettverschlüsse, Schnallen, Reißverschlüsse…
Das schließt sich nicht unbedingt aus. Wichtig ist, dass der Schuh gut passt. Das ist am besten mit einem Schnürschuh zu erreichen, den man individuell am Fuß anpassen kann. Für Leute, die sich nicht immer so tief bücken wollen oder können, empfiehlt sich die Kombination von Schnüren mit seitlichem Reißverschluss. Sind die Senkel einmal geschnürt, bleiben sie immer in Position. Praktisch sind auch Schnellschnürsysteme, bei denen das Band mit einer Klemme statt mit einer handgezogenen Schleife fixiert wird.
? Gibt es zu Lederschuhen gute vegane Alternativen?
! Das ist modisch, aber offen gesagt schwierig. Manchmal werden auch Schuhe aus Kunststoff-Oberteilen als vegan bezeichnet, obwohl sie oft Kleber mit tierischen Bestandteilen wie Gelatine haben.
Dieses Interview von Roland Stimpel ist in mobilogisch!, der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 4/2020, erschienen.
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In mobilogisch 3/20, S. 32f. wurde ein neuer Erlass des baden-württembergischen Verkehrsministers Herrmann vom Mai d.J. vorgestellt. Dessen Quintessenz ist, dass Kommunen sich nicht auf das „Opportunitätsprinzip“ berufen dürfen, wenn sie Falschparken nicht ahnden.
Der Erlass stützt sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt vom 30. Juni 2017 (Az. 5 K 902/16.NW), das besagt, dass falsch parkende Fahrzeuge regelmäßig abzuschleppen sind, „wenn das Verhalten des rechtswidrig Parkenden dazu geeignet ist, zu Behinderungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs einschließlich des ruhenden Verkehrs zu führen.“ Solange es kein anderslautendes Urteil gibt, ist dies die geltende Rechtslage.
Dieser Artikel fasst die (verwaltungs-)rechtlichen Vorschriften zum Gehwegparken zusammen, behandelt den Umgang der Ordnungsämter in ausgewählten Städten mit Falschparkern, stellt Ansätze für Parkkonzepte vor und zeigt auf, was man gegen Falschparker tun kann.
Leider steht nirgendwo in der StVO explizit ein Satz wie „Das Halten und Parken auf Gehwegen mit Kfz ist nicht gestattet.“ Das Fehlen eines solchen Satzes dient Falschparkern oft und gerne als Ausrede. Gemäß den im Folgenden zitierten Paragrafen der StVO ist Gehwegparken allgemein verboten: § 2 Abs. 1 StVO sagt: „Fahrzeuge müssen die Fahrbahn benutzen.“ § 12 Abs. 4 StVO schreibt vor: „Zum Parken ist der rechte Seitenstreifen, dazu gehören auch entlang der Fahrbahn angelegte Parkstreifen, zu benutzen, wenn er dazu ausreichend befestigt ist, sonst ist an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren.“ Im Einzelfall kann Gehwegparken durch die Behörden gestattet werden. Grundlage hierfür ist § 12 (4a) StVO: „Ist das Parken auf dem Gehweg erlaubt, ist hierzu nur der rechte Gehweg, in Einbahnstraßen der rechte oder linke Gehweg, zu benutzen.“
Legalisiertes Gehwegparken wird durch Zeichen 315 StVO oder durch eine einfache Parkflächenmarkierung angezeigt. Die Bedingungen für die Zulassung des Gehwegparkens stehen in der Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 315 StVO; sie sind sehr strikt gefasst: „Das Parken auf Gehwegen darf nur zugelassen werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt, die Gehwege und die darunter liegenden Leitungen durch die parkenden Fahrzeuge nicht beschädigt werden können und der Zugang zu Leitungen nicht beeinträchtigt werden kann.“ [1]
Für das legalisierte Gehwegparken ohne Zeichen 315 ist eine Parkflächenmarkierung vorgeschrieben. Die Zulassung des Parkens durch Markierung auf Gehwegen soll nur ausnahmsweise erfolgen, etwa dort, „wo nur wenigen Fahrzeugen das Parken erlaubt werden soll; sonst ist die Anordnung des Zeichens 315 ratsam.“ Im Übrigen gelten die Bedingungen zu Z. 315 mit dem Zusatz, dass „die Bordsteine ausreichend abgeschrägt und niedrig sind.“ [2]
Es ist Aufgabe der kommunalen Ordnungsbehörden, Verstöße gegen Parkverbote zu sanktionieren. Aber viele weigern sich in Einzelfällen oder grundsätzlich in bestimmten Straßen und Quartieren. Sie begründen das mit dem „Opportunitätsprinzip“, nach dem Ordnungswidrigkeiten nicht in jedem Fall verfolgt werden müssen. Allerdings legen sie dies sehr weit – und, gemäß dem o. a. angeführten Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt – zu weit aus, wenn sie wegen „Parkdrucks“ Falschparker auf einzelnen Gehwegen oder gar in ganzen Stadtteilen grundsätzlich unbehelligt lassen.
Politik und Verwaltung zeigen sich oft erfinderisch, wenn es darum geht, Falschparker nicht zu belangen. Die folgenden Beispiele dazu sind dem Beitrag „Falschparker: Aktives Land, mauernde Städte“ auf www.fuss-ev.de entnommen:
In Frankfurt am Main rechtfertigt Oberbürgermeister Peter Feldmann 2019 das chronische Falschparken auf Gehwegen so: „In einzelnen Bereichen liegt … ein so hoher Parkdruck durch die Anwohnerinnen und Anwohner vor, dass die Interessen der zu Fuß Gehenden nicht mit letzter Konsequenz durchgesetzt werden können.“ Davon behinderte Fußgänger müssten das hinnehmen, habe der Magistrat beschlossen: „Das Interesse der Anwohner an Parkmöglichkeiten kann bei dieser Ermessensabwägung nicht unberücksichtigt bleiben.“
Andere Städte lassen nicht nur Falschparker in Ruhe, sondern attackieren eigene Bürger, die den Ämtern Rechtsbrüche mitzuteilen. Ordnungsamts-Leiter Helmut Loris aus Leipzig teilte einem lästigen Bürger mit, Anzeigen seien „nur eine Anregung an die Verwaltungsbehörde“ und dürften „nicht der Regelfall sein“. Wer öfter anzeige „nehme quasi die Rolle eines Ermittlungsbeamten ein“ und verstoße gegen das „Gewaltmonopol des Staates“. Diese Aussage ist eindeutig demokratiefeindlich.
Noch mehr liegt die Schonung von Rechtsbrechern der Stadt Braunschweig am Herzen: Sie rüffelte amtlich einen Bürger, weil der es gewagt hatte, in Braunschweigs Ordnungsamt zahlreiche Rechtsverstöße anzuzeigen. „Erneut haben Sie über 30 Anzeigen zu Falschparkern … übersandt“, empörte sich die Behörde. Das aber sei „eine staatliche hoheitliche Aufgabe, deren Übertragung auf Private rechtlich nicht zulässig ist“. Es seien lediglich „Anzeigen durch Private in Einzelfällen möglich“. Vom FUSS e.V. folgte eine Anfrage nach der in Braunschweig erlaubten Höchstzahl von Anzeigen; eine Antwort gab die Stadt nicht.
Eine noch drohendere Haltung gegenüber einem anzeigenden Bürger nahm die Stadtverwaltung Magdeburg ein. Dort stellte ein offenbar unterbeschäftigter Ordnungsamts-Mitarbeiter in einem vierseitigen Brief fest, wer anzeige, der übermittele ja auch personenbezogene Daten, nämlich das ganz persönliche Autokennzeichen. Und das verstoße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Der Beamte teilte mit, die Falschparker-Anzeigen werde er selbst nicht mehr prüfen – aber sie dem Landes-Datenschutzbeauftragten übergeben, in der Hoffnung auf „Einleitung eines Verfahrens und Ahndung einer Ordnungswidrigkeit“. Denn „soweit Sie ein verbotswidrig parkendes Fahrzeug feststellen, Marke, Typ, Kennzeichen, Standort, Tag, Zeit und Tatbestand erfassen oder ein Foto aufnehmen, greifen Sie in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der für das Fahrzeug verantwortlichen Person ein.“ Eine bemerkenswerte Haltung für den Mitarbeiter einer Behörde, zu deren Aufgaben das Ahnden von Falschparkern gehört: Deshalb ergangene Anzeigen bearbeitet er nicht. Aber für den Datenschutz der mutmaßlichen Regelbrecher fühlt er sich verantwortlich.
Nur selten werden bisher Behördenmitarbeiter belangt, die sich als Beschützer von Rechtsbrechern sehen. So der Chef der Kommunalpolizei Darmstadt (anderswo Ordnungsamt) im Jahr 2018. Nachdem Bürger hartnäckig gegen chronisches Falschparken protestiert hatten, lehnte er Abhilfe mit den Worten ab „Wir wollen doch kein Polizeistaat werden.“ Er verglich demokratisches Ordnungsrecht, dessen Wahrung sein Job war, mit einer Diktatur. Die Vereine Wegerecht und FUSS e.V. protestierten; schließlich versetzte Darmstadts Oberbürgermeister den Hüter der Unordnung auf einen weniger heiklen Posten. Seitdem kommt in Darmstadt der Abschleppwagen öfter.
Hier einige Beispiele aus Nordrhein-Westfalen, welch lächerlich geringe Restgehwegbreiten einige Kommunen noch für tragbar halten: In Wuppertal schreitet das Ordnungsamt erst ein, wenn weniger als 1 Meter Wegbreite verbleibt. Begründung: Die Sicherheit für den Fußgängerverkehr sei damit gegeben. Auch Personen mit Kinderwagen und Rollstuhlfahrer könnten dort verkehren. Der Sprecher der Ortsgruppe Wuppertal hat einen Protestbrief an Landesverkehrsminister Wüst sowie Bundesverkehrsminister Scheuer geschrieben. Die endgültige Antwort aus dem Landesverkehrsministerium steht noch aus, aus Berlin kam bislang keine Reaktion.
Auch in Münster wird eine Restgehwegbreite von 1 Meter geduldet. Hier ist die Ortsgruppe ebenfalls aktiv geworden und hat eine Eingabe an die Stadt gemacht. [Nähere Informationen zu Wuppertal: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; zu Münster: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!]
In Köln-Ehrenfeld wird das Ordnungsamt bei illegalem Gehwegparken erst aktiv, wenn die verbleibende Restgehwegbreite weniger als 1,20 m beträgt. [3] In Köln-Dellbrück lassen ein gelernter Stadtplaner und seine zwei „Assistenten“ sich auch nicht durch eine gegen sie gegründete „Interessengemeinschaft“ einiger Bürger von ihrem Vorhaben abbringen, gegen Falschparker vorzugehen – und kommen auf monatlich bis zu 1.000 Anzeigen. [4]
Wie die „Dienstanweisungen“ für die Ordnungsämter in Ihrer Stadt lauten, kann jede/r Interessierte unter www.frag-den-staat.de leicht in Erfahrung bringen. Auf der FUSS-Seite gehwege-frei.de findet sich ein Muster-Beschwerdebrief an die Verwaltung. Auf www.weg-li.de kann man (via der App Wegeheld) die Behörden direkt über Parkverstöße informieren.
Einen leichten Fortschritt – im Vergleich zum allgemeinen Vorgehen hinsichtlich Restgehwegbreiten – stellen die diesbezüglichen Dienstanweisungen in den baden-württembergischen Städten Ulm und Karlsruhe dar: In Ulm wird das „absolute Mindestmaß“ des Gehweges mit 1,50 Meter angesetzt [5], während Karlsruhe 1,60 Meter fordert. [6] Beide Städte halten die laut RASt 06 einzuhaltende Mindest-Gehwegbreite von 2,50 Meter für „nicht erreichbar“.
Dabei gibt es verschiedene Instrumente, das Parken anders zu regeln, z. B. durch Parkverbote oder das Angebot alternativer Parkmöglichkeiten (Quartiersgaragen, Nutzung von Parkhäusern und Parkflächen von Supermärkten). Auch über eine andere Verkehrslenkung (Einrichtung oder Umdrehung von Einbahnstraßen, Einrichtung von Verkehrsberuhigten Bereichen und Begegnungszonen) können Einschränkungen von Leistungsfähigkeit, Komfort und Sicherheit für den Fußverkehr auf Gehwegen vermieden werden. In NRW müsste man das Landesbaurecht durchsetzen, das in § 51 bestimmt, dass Garagen in erster Linie Garagen sind und nicht zweckentfremdet werden dürfen. [7] So könnte man das Verhalten von Garagenbesitzern, die ihr Auto trotzdem auf der Straße parken, wirksam unterbinden.
Nach Ansicht von FUSS e.V. ist die Festlegung der Städte Ulm und Karlsruhe auf 1,50 bzw. 1,60 Meter nicht vorschriftsgemäß . Die VwV zu §§ 39-43 StVO bestimmt Folgendes: „Soweit StVO und diese Verwaltungsvorschrift … für den Ort und die Anbringung von Verkehrszeichen … nur Rahmenvorschriften geben, soll im einzelnen nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik verfahren werden … .“ In der Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 315 und Parkflächenmarkierung wird keine explizite Gehwegbreite genannt, somit müssen unserer Ansicht nach für Gehwege die Breitenmaße gelten, die in den Regelwerken RASt 06 (Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, Hrsg: FGSV Köln, 2007), EFA (Empfehlungen für Fußverkehrsanlagen, 2002 sowie H BVA (Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen) vorgegeben sind: Nach RASt 06 ist für Gehwege an Stadtstraßen ein Mindestmaß von 2.50 m anzusetzen. [8] Die EFA gestatten eine abgeminderte Regelbreite von 2,10 m. [9] Für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen soll gemäß H BVA die Benutzung straßenbegleitender Gehflächen durch die Anlage von hindernisfreien, taktil und visuell abgegrenzten Gehwegbreiten, mit wenigen Richtungsänderungen erleichtert werden, die taktil und optisch kontrastierend wahrnehmbar sind. (H BVA, 3.3.2.1) Allgemein sollte der Seitenraum für die Nutzung durch mobilitätseingeschränkte Personen 2,70 m breit sein, zusammengesetzt aus 2 m Begegnungsraum (2 x 90 cm für Verkehrsteilnehmer und 20 cm Sicherheitsabstand), 50 cm Abstand zur Fahrbahn und 20 cm Abstand zu Haus oder Grundstück. Die geforderte Breite erhöht sich mit steigendem Fußverkehrsaufkommen. (H BVA, 3.3.1)
Für die Einhaltung der Bedingung der Verwaltungsvorschrift, dass legalisiertes Gehwegparken mit Zeichen 315 nur zugelassen werden darf, wenn der Verkehr von Fußgängern unbehindert bleibt, sind die in den Regelwerken genannten Maße erforderlich. Die Seniorin und ihr Mann neben ihr im elektrischen Rollstuhl (der nach RASt 06 allein schon einen Breitenbedarf von 1,10 Meter hat [10]) brauchen mindestens 2,10 Meter Gehwegbreite für ihren Spaziergang oder ihren gemeinsamen Einkauf. Oder sollen sie etwa hintereinander gehen? Gehwegbreiten unter 2,10 m bedeuten die Weigerung, älteren Menschen, körperlich Behinderten und Eltern mit Kinderwagen eine sichere Mobilität in der Stadt zu ermöglichen und untergraben ihren Anspruch auf Barrierefreiheit. Diese ist kein Gnadenakt von Ordnungsämtern, sondern seit dem Behinderten-Gleichstellungsgesetz aus dem Jahre 2002 ein Rechtsanspruch. [11]
Ulm und Karlsruhe weisen auf einen Aspekt hin, der auf jeden Fall bei der Legalisierung des Straßenraums beachtet werden muss: die Durchfahrbarkeit für Rettungsfahrzeuge. Es muss mindestens eine Fahrbahnbreite von 3,50 m eingeplant werden. [12]
Mitte 2016 begann Karlsruhe, in allen Stadtteilen illegale Parkstände zu entfernen und stattdessen legalisiertes Gehwegparken umzusetzen. Leitlinie dabei war das zuvor entwickelte Konzept „Faires Parken“, mit dem Schwerpunkt auf Barrierefreiheit und Fußverkehrsqualität. Die Stadt ist überzeugt, mit der festgesetzten Mindestgehwegbreite von 1,60 Metern diese Ziele zu erfüllen. Auf allen Gehwegen, die dieses Mindestmaß unterschreiten, ist jetzt Parken verboten. [13]
Die Stadt Ulm hat im Jahre 2019 auf eine Petition hin, die vom baden-württembergischen Landtag angenommen wurde und der Stadt zur Umsetzung aufgetragen wurde, ein neues dreistufiges Konzept zum Gehwegparken entwickelt [14, 15]:
Kategorie I: Straßen, in denen problemlos beidseitig bzw. nur auf einer Seite der Straße auf der Fahrbahn geparkt werden kann. In diesen Straßen müssen die Fahrzeuge lediglich vom Gehweg auf die Fahrbahn verlagert werden.
Kategorie II: Straßen, in denen beim Parken auf dem Gehweg ein ausreichend breiter Fußweg (mindestens 1,50 m) übrig bleibt. Das Gehwegparken könne hier nach einer Prüfung vermutlich durch Beschilderung/Markierung legalisiert werden. Ziel ist es, dass diese Straßen im Jahr 2020 konkret überprüft, das Ergebnis dokumentiert und nach dieser Erhebung zeitnah umgesetzt werden soll.
Kategorie III: Hierzu gehören alle Straßen, die nicht in die beiden oben genannten Kategorien fallen. Bei diesen Straßen müsse man ggf. größere bauliche Veränderungen vornehmen. Da dort mit einer deutlichen Verringerung der Zahl der Parkplätze zu rechnen sei, müssten unter Einbeziehung der Anwohner, auch Möglichkeiten wie zum Beispiel die Umwandlung eines Gehwegs in einen Parkstreifen, die Schaffung von Mischflächen (Aufgabe beider Gehwege) bzw. die Umwandlung von bestehenden Wohnstraßen in verkehrsberuhigte Bereiche (am Beispiel Freiburgs) geprüft werden.
Der Bearbeitungsstand ist abrufbar unter [16].
Auch in Recklinghausen will die Stadt Maßnahmen ein Konzept gegen das Gehwegparken ausarbeiten. [17]
FUSS e.V. diskutiert zur Zeit, eine Kampagne für die Beendigung des Gehwegparkens durchzuführen. Dabei würden wir darauf dringen, dass die ausführenden Behörden die Vorgaben der Verwaltungsvorschrift einhalten. Da in vielen Kommunen die Gehwegbreiten spätestens nach der Anordnung des Gehwegparkens unter dem geforderten Mindestmaß von 2,10 Meter liegen, entsprechen sie nicht den aktuellen Vorschriften.
Mit Bezug auf die Verwaltungsvorschrift zu Z. 315 und Parkflächenmarkierung hat ein FUSS-Mitglied aus Hannover vor zwei Jahren Klage beim Verwaltungsgericht Hannover wegen Nichtberücksichtung der Vorschriften eingereicht (nähere Information unter hannover@ fuss-ev.de).
Wir werden auch immer wieder darauf hinweisen, dass die bauliche Ausführung vieler Gehwege im Ober- und Unterbau nicht für das Gewicht von Kraftfahrzeugen ausgelegt ist. Daher werden diese Gehwege wie auch die darunter liegenden Leitungen beschädigt, wenn dort das Parken von Kfz genehmigt wird. Zugeparkte Gas- und Wasseranschlüsse können zudem zu großen Gefahren führen: So können z. B. Undichtigkeiten eines Gasanschlusses wegen vorschriftswidrig angeordnetem Gehwegparken zu spät erkannt werden. Dies kann katastrophale Folgen haben, da das Gas durch Mauerfugen auch in Keller ohne Gasanschluss gelangen kann. Ein Umsetzen des geparkten Fahrzeuges kann fatale Verzögerungen mit sich bringen. Ein weiterer Grund das Gehwegparken dort nicht zu genehmigen bzw. diese Anordnung zurückzuziehen.
Neuerdings scheint Bewegung in die Sache zu kommen – und zwar von unerwarteter Seite: Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, äußerte am 2. September 2020 in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur: „Es ist noch keine Verkehrswende, wenn wir jeden Verbrenner durch ein E-Auto ersetzen. Es geht darum, dem Auto auch öffentliche Räume zu entreißen. Unsere Städte sind keine Parkplätze, Städte sind Orte zum Leben. Es sind Städte für Menschen und nicht Städte für Autos.“ [18]
FUSS e.V. wird dabei helfen.
Das Nichtahnden von Falschparken auf Gehwegen durch die meisten Ordnungsbehörden führt zu Behinderungen und auch Gefährdungen der Gehwegnutzer/innen, insbesondere von mobilitätseingeschränkten Menschen. Die Verstöße gegen die StVO, VwV-StVO und die Vorschriften in den Regelwerken müssen umgehend abgestellt werden.
[1] Verwaltungsvorschrift zu Z. 315 StVO. In: www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de
2] Verwaltungsvorschrift Zu Anlage 2 lfd. Nummer 74 Parkflächenmarkierungen. In: www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de
[3] Beantwortung einer Anfrage der Grünen-Fraktion in der Bezirksvertretung Ehrenfeld durch die Stadt Köln, Dezernat I/32/324, Vorlagen-Nummer 1905/2019, vom 17.09.2029
[4] Kölner Stadt-Anzeiger, 13.08.2020
[5] www.ulm.de/leben-in-ulm/verkehr-und-mobilitaet/individualverkehr/gehwegparken
[6] www.karlsruhe.de/b3 -> Verkehr -> Gehwegparken -> Legalisierung.de
[7] www.ruhrnachrichten.de -> Dortmund
[8] RASt 06, 4.7 und 6.1.6.1
[9] EFA 2002, 3.2
[10] RASt 06, 4.7, Tabelle 4
[11] www.behindertenbeauftragter.de
[12] www.ulm.de/leben-in-ulm/verkehr-und-mobilitaet/individualverkehr/gehwegparken
[13] www.akb-karlsruhe.de/seite16.html
[14] buergerinfo.ulm.de
[15] www.ulm.de/leben-in-ulm/verkehr-und-mobilitaet/individualverkehr/gehwegparken
[16]www.ulm.de/leben-in-ulm/verkehr-und-mobilitaet/individualverkehr/gehwegparken
[17] www.recklinghausen.de → Rathaus_Politik → Pressestelle
[18] www.staedtetag.de → Presse → Statements
Dieser Artikel von Peter Struben ist in mobilogisch!, der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 4/2020, erschienen.
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Betreiber von Einkaufszentren wollen, dass Menschen ausgiebig zwischen ihren Läden heumgehen. Wie kommerzielle Lauf-Förderung funktioniert, verrät Valentin Hadelich, Architekt und „Head of Department Urban Planning“ bei Europas Markführer ECE mit 196 Einkaufzentren.
? Ihre Center sind zum Kaufen da, nicht zum Laufen. Heißt das: Wer nur schnell zum Laden geht, ist erwünscht, wer einfach nur durchbummelt, nicht?
! Gerade wer bummelt, ist erwünscht. Wer bei uns läuft, kauft auch. Und für andere Menschen wirkt das Center belebter und der Aufenthalt interessanter. Das ist wie auf dem Bürgersteig und dem Stadtplatz draußen.
? Wieviele Laufstrecken bieten Sie?
! Bei mehreren Etagen und Seitenarmen können es in einem Center schon mal mehrer Kilometer sein.
? Und das laufen die Kunden alles ab?
! Keiner läuft systematisch alle Wege ab. Aber wenn Menschen stundenlang bei uns sind, dann können schon ganz schöne Entfernungen zusammenkommen. Wir messen das aber nicht. Nur unsere Centermanager und Techniker tracken teilweise ihre Strecken. Sie kommen schon mal auf zwölf Kilometer Fußweg am Tag, da gibt es einen sportlichen Wettbewerb.
? Von außen wirken viele Center mit ihren Rampen und Parkdecks so, als solle man möglichst mit dem Auto kommen.
! Man kann, muss aber nicht. In unserem ältesten Center, dem Alstertal-Einkaufszentrum in Hamburg-Poppenbüttel, kommt fast die Hälfte der Kunden zu Fuß und mit der S-Bahn, obwohl es im Vorort liegt und nicht in der City. Es ist übrigens günstig, wenn ein Teil der Kunden zu Fuß im Erdgeschoss ins Haus kommt und ein anderer von Parkdecks auf dem Dach. Dann werden die verschiedenen Etagen gleichmäßiger besucht.
? Gibt es Läden, vor denen alle Kunden mal laufen sollen?
! Wir wollen unsere Kunden nicht zwingen, sondern höchstens dezent leiten. Durch gute Sicht und Orientierung und durch Ladenfronten, die man von mehreren Etagen aus sehen kann. Es geht um die Kunst, einen angenehmen Weg zu schaffen.
? Was tun Sie, damit die Leute viel bei Ihnen herumlaufen?
! Das älteste Mittel sind große Läden und Einrichtungen an den Enden eines langgestreckten Centers, die am meisten Kunden haben und als Magneten dienen. Wer dorthin geht oder von da kommt, passiert dann andere interessante Geschäfte.
? Ist das so ähnlich wie im Billigflughafen, wo die Leute auf Schlangenlinien und langen Umwegen durch die Duty-Free-Shops geschickt werden?
! Das würden die Leute merken und nicht mögen, außerdem bräuchte es dann mehr Verkehrsflächen, also gäbe es weniger für die Läden. Nein, die Wege zu den Magneten sollen direkt sein.
? Dafür möglichst lang, damit unterwegs viele andere Läden verlocken können?
! Das ist durch die Fläche begrenzt, die das Center einnehmen kann. Für Kunden darf es auch nicht zu lang sein, und vor allem nicht zu monoton. Von langen Fronten mit nichts als Schaufensterpuppen hat keiner etwas. Und ungefähr alle 40 bis 50 Meter sollte es eine größere Abwechslung geben, zum Beispiel Quergänge, in den oberen Etagen Brücken zur anderen Seite der Höfe oder mindestens alle 70 Meter Rolltreppen für den Etagenwechsel. Mehr als 120 Meter zu einem Laden laufen die Leute nur ungern. Das sind ja auch die Maße, bei denen städtische Blöcke noch angenehm wirken.
? Es klingt nicht sehr lauffreudig.
! Manche gehen aber viele solcher kurzen Etappen. Nicht nur von Laden zu Laden, sondern auch mit Pausen in Cafés, auf Sitzbänken oder einfach zum Gucken von einer Brücke. In Aufenthaltsqualität und Service investieren wir jetzt und in den nächsten Jahren über das At Your Service Programm viele Millionen Euro – in Bänke, Grün, Toiletten, elektronische Wegweiser und mehr, einfach in mehr Aufenthaltsqualität und einen besseren Kundenkontakt. Das bringt unmittelbar keinen Euro zurück, aber Wohlfühlen ist ganz entscheidend auch für den kommerziellen Erfolg eines Centers. Die Leute sollen sich nicht gejagt fühlen, sondern freundlich eingeladen.
? Was tun Sie, damit sich die Leute beim Laufen wohlfühlen?
! Alle Wege bei uns sind natürlich barrierefrei, das ist ein eindeutiger Mehrwert gegenüber vielen Innenstadtstraßen. Und sie sind ausreichend breit. 2,75 Meter sind das absolute Minimum. Es kann und muss auf stark frequentierten Wegen deutlich mehr sein, aber nie so viel, dass ein Weg leer wirkt.
? Gibt es den idealen Bodenbelag?
! Bis vor 15 Jahren war er bei uns einheitlich: hell, natürlich eben, aber nicht zu glatt. Jetzt gibt es Unterschiede. Bei unserer neuen Galerie in Verona haben wir zum Beispiel in Teilen einen Bruchstein-Boden, der ein bisschen an die Altstadt erinnert umgesetzt. Und vor rustikalen Restaurants auch schon mal Holzoptik.
? Und die Gestaltung und Beleuchtung?
! Unsere ist hell, aber eher zurückhaltend. Die Läden sollen strahlen, nicht das Center, in dem sie gemietet sind. Aber auch für die Läden gibt es Regeln. Sie sollen weder grell und aufdringlich noch schäbig und lieblos wirken.
? Man geht nur im Innenraum – also klimatisiert?
! Die Lüftung soll möglichst wenig Technik enthalten. Das Dach ist immer zu öffnen. Wir haben übrigens mal kostenlose Garderoben angeboten, aber das wollten die Leute nicht. Sie fühlen sich offenbar wie in einer offenen Straße, aber in einer, in der es nie regnet und im Winter wärmer ist als draußen.
? Und künstliche Atmosphären als Kauf-Verführer?
! Wir experimentieren über einen Multisens Ansatz mit Licht, Musik und Gerüchen . Allerdings nur dezent, aufdringliche Sinnesreizung wäre jedenfalls nicht gut.
? Trotzdem läuft man durch eine rein kommerzielle Welt. Das will man irgendwann nicht mehr.
! Es ist nicht alles kommerziell. Sie können stundenlang auf Bänken sitzen und herumbummeln, ohne einen Cent auszugeben. Es gibt Spielplätze und nicht nur Läden, sondern auch Kinos, Gastronomie sowieso, Minigolfplätze und in Bremen ein Jump House.
? Ein was?
! Eine über 5.000 Quadratmeter große Trampolinhalle. Da hüpfen die Leute wie wild.
? Haben Sie mal überlegt, ob Sie Ihren Kunden die sogenannte letzte Meile zum Laden mit Fahrrädern oder E-Rollern erleichtern sollten?
! Nein, nie. Es soll entspannt und sicher zugehen. Keiner soll Angst haben, er wird umgerast, und vor den Läden soll nichts im Weg herumstehen oder liegen. Die Leute gehen die letzte kleine Meile gern, und das soll so bleiben.
Dieses Interview von Roland Stimpel ist in mobilogisch!, der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 3/2020, erschienen.
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